Auf der Suche nach verschobenen Ausdrucksformen der Demokratiepolitik

Ein zentrales Element der Postdemokratie ist darin zu sehen, dass die formalen Institutionen und Prozesse der Demokratie zwar weiterhin aufrecht erhalten werden, es allerdings keine substanziellen Möglichkeiten zur Gestaltung dieses Prozesses auf Seiten d

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Verschobene Ausdrucksformen der Demokratiepolitik

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Politische Musik als verschobene Ausdrucksform der Demokratiepolitik

„Demokratie“ wird üblicherweise als Staatsform gefasst, die empirisch vorfindbar auf unterschiedliche Art und Weise institutionell ausgestaltet und je nach Ausgestaltung klassifizierbar ist. Ob es sich um eine libertäre, eine instabile, eine gelenkte oder eine defekte Demokratie handelt (vgl. etwa Schmidt 2010, S. 289ff.), stets wird davon ausgegangen, „dass es einen annähernd idealtypischen Zustand in der Form eines Modells geben könnte und dass sich zweitens demokratische Gesellschaften auf Verlaufslinien eintragen lassen, an deren Enden sich unhintergehbare Einrichtungen finden, in denen ein harmonisches Verhältnis von Freiheit und demokratischer Herrschaft verwirklicht ist“ (Friedrichs/Lange in diesem Band, S. 3). Unter Bedingungen der „Postdemokratie“ (Crouch 2008) reichen derartige Klassifizierungen jedoch nicht mehr aus, um das Phänomen Demokratie angemessen zu fassen. Denn die Postdemokratie besteht Colin Crouch zufolge im Kern darin, dass die formalen Institutionen der Demokratie zwar weiterhin funktionieren, der demokratische Prozess also aufrecht erhalten bleibt, aber ohne dass es tatsächliche, substanzielle Möglichkeiten zur Gestaltung dieses Prozesses auf Seiten der Bürgerinnen und Bürger gäbe. Wird Demokratie mit Wolfgang Abendroth als Institution und als Aufgabe verstanden, dann heißt das, dass unter den Bedingungen der Postdemokratie Demokratie als Institutionengefüge noch vorhanden ist, es den Bürgerinnen und Bürgern aber immer schwerer gemacht wird, Demokratie als Aufgabe im Sinne der Gestaltung und fortschreitenden Demokratisierung der Gesellschaft zu begreifen und zu leben (vgl. Abendroth 2008, Salomon 2014, S. 63).

© Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 W. Friedrichs, D. Lange (Hrsg.), Demokratiepolitik, Bürgerbewusstsein, DOI 10.1007/978-3-658-11819-8_11

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Tonio Oeftering

Die Demokratie droht so zu einer leeren Hülle zu werden, weil der demos keinen entscheidenden Einfluss mehr ausüben kann.1 Hieraus sollte jedoch nicht voreilig der Schluss gezogen werden, Demokratie sei bereits aus der Welt verschwunden; es scheint vielmehr so zu sein, dass sie sich neue Arenen der Manifestation suchen muss, wenn sie tatsächlich fortbestehen soll – und diese auch findet. Bereits 1993 schrieb Ulrich Beck in seinem Buch „Die Erfindung des Politischen (1993): „Das Politische bricht jenseits der formalen Zuständigkeiten und Hierarchien auf und aus, und dies wird gerade von denjenigen verkannt, die Politik mit Staat, mit dem politischen System, mit formalen Zuständigkeiten und ausgeschriebenen politischen Karrieren gleichsetzen.“ (Beck 1993, S. 156) Übertragen auf Demokratiepolitik bedeutet dies, dass es hier in gewisser Weise um die Re-Demokratisierung der Demokratie geht und wenn im Folgenden von verschobenen Ausdrucksformen der Demokratiepolitik die Rede ist, dann ist damit gemeint, dass hier genau nach solchen Artikulations- und Produktionsweisen von Demokratie gesucht wird, die jens