Ein einziges Trauma macht noch keine PTBS
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aktuell
Ein einziges traumatisierendes Ereignis wie ein schwerer Unfall ist zwar sehr belastend, eine PTBS entsteht daraus in der Regel jedoch nicht.
Angst und Schrecken auch in der Vorgeschichte bedeutsam
Ein einziges Trauma macht noch keine PTBS Überlebende von Verbrechen, gewaltsam Vertriebene, aber auch Schwerkranke – sie alle kämpfen oft lange mit den Folgen ihrer Traumatisierung. Über aktuelle Aspekte einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sprachen wir mit Professor Thomas Ebert, Vorstandsmitglied von „vivo“ (Victims voice), der diese Erkrankung bei Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten weltweit erforscht und behandelt. InFoNP: Herr Professor Elbert, Sie untersuchen die Entstehung posttraumatischer Belastungsstörungen. Gibt es neue Erkenntnisse? Professor Elbert: Ich denke, wir haben ein gutes Modell für die Ursachen von posttraumatischen Belastungsstörungen: Sensorische Eindrücke wie Bilder oder Geräusche werden zusammen mit Gedanken und Gefühlen, die insgesamt das „heiße Gedächtnis“ bilden, an einem anderen Ort im Gehirn abgespeichert als kontextuelle Information, also wann und wo etwas geschehen ist. Letztere bezeichnen wir als „kaltes Gedächtnis“. Furchtbare Ereignisse verlieren ihren Schrecken immer dann, wenn sie Ort und Zeit zugeordnet werden, wenn sie somit als Erinnerung verstanden werden. Gelingt dies nicht, zieht der Schrecken in die Gegenwart ein. Wenn dann durch einen Schlüsselreiz das „heiße Gedächtnis“ aktiviert wird, fühlt man sich genauso wie damals bedroht. InFoNP: Kann bereits ein einziges Ereignis eine PTBS auslösen? Elbert: Ein einziges Erlebnis wie beispielsweise ein Verkehrsunfall wird immer in der Kombination „kaltes und heißes Gedächtnis“ gespeichert, sodass die Bilder Ort und Zeit zugeordnet sind. Das Problem beginnt bei mehreren solchen Ereignis-
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In|Fo|Neurologie & Psychiatrie
2013; 15 (4)
sen. In dem Moment, wo der Kontext der Einzelsituationen verlorengeht, entsteht die posttraumatische Belastungsstörung. Die Idee des Monotraumas halte ich für kein gutes Erklärungsmodell. Erst wenn etwa das Blut und der Schrecken eines Ereignisses mit vergangenen derartigen Situationen verknüpft werden, besteht die Gefahr einer PTBS. InFoNP: Ist es also nur eine Frage der Zahl an traumatischen Situationen, ob ein Mensch eine PTBS entwickelt oder nicht? Elbert: In den Krisen- und Kriegsgebieten sehen wir, dass jeder bricht, wenn ihm genügend schreckliche Dinge aufgeladen werden. Menschen generalisieren die Ereignisse, sodass der Traumatisierte die Gefahr schließlich überall sieht. Er hält das Hier und Jetzt für eine Illusion und den Krieg, die längst vergangene Schlacht, für die wahre Gegenwart. Der entscheidende Faktor für die Entwicklung einer PTBS ist die Anzahl an bedrohlichen Ereignissen. Wenn diese nicht mehr verortet werden, bleibt der Stress kontinuierlich bestehen. Ein junger Mann etwa kommt dann mit einer PTBS aus Afghanistan zurück, wenn er bereits in der Kindheit Probleme hatte. Dass bei den deutschen Soldaten die PTBS-Quote im Vergleich zu den US-Amerikanern so
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