Soziale Innovationen
Der Beitrag unterzieht den Begriff der sozialen Innovation einer kritischen Prüfung. Insbesondere werden dabei zwei Konnotationen bzw. Verengungen des Begriffs diskutiert und in den Zusammenhang des steigenden politischen Interesses an sozialen Innovation
- PDF / 4,593,422 Bytes
- 24 Pages / 419.528 x 595.276 pts Page_size
- 104 Downloads / 223 Views
Cornelius Schubert
1
Einleitung
Ungebremster Wandel scheint fast schon schicksalhaft weite Teile heutiger Gesellschaften zu ergreifen. Die unaufhaltsam laufenden Motoren der Industrialisierung, Individualisierung oder Rationalisierung brechen bestehende gesellschaftliche Ordnungen auf und fügen sie in immer neuer Weise zusammen. Und je mehr sich gesellschaftliche Teilbereiche ausdifferenzieren, desto abhängiger werden sie voneinander und desto vielschichtiger und dynamischer gestalten sich die Wechselwirkungen, aus denen sich gesellschaftliche Ordnungen zusammensetzen. Vom Wandel, so lässt sich vermuten, gibt es kein Entrinnen. Diese Beobachtung gehört zu den Grundeinsichten moderner Gesellschaftstheorien und als solche fordert sie nicht nur unterschiedliche gesellschaftliche Handlungsfelder, sondern auch das soziologische Nachdenken kontinuierlich heraus. Es stellt sich generell die Frage, wie moderne Gesellschaften die Spannung zwischen Differenzierung und Integration bewältigen (Durkheim 1988) und für konkrete Handlungszusammenhänge, etwa in der Politik, ergibt sich die Schwierigkeit, den kontinuierlichen Wandel in die bestehende Ordnung zu integrieren, das heißt Erneuerung und Beharrung so zu balancieren, dass Wandel möglich ist, ohne die etablierten Strukturen vollständig in Frage stellen zu müssen (Mead 1936, S. 360ff.). Für das soziologische Nachdenken stellt sich nicht zuletzt die Aufgabe, diesen Wandel als immanenten gesellschaftlichen Prozess zu analysieren und konzeptuell zu reflektieren.
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 W. Rammert et al. (Hrsg.), Innovationsgesellschaft heute, DOI 10.1007/978-3-658-10874-8_18
403
404
Cornelius Schubert
Im vorliegenden Beitrag gehe ich davon aus, dass gesellschaftlicher Wandel heute selbst Gegenstand einer strukturellen Veränderung ist, die sich im Rahmen einer zunehmend reflexiven und multireferenziellen Innovationsgesellschaft untersuchen lässt (Hutter et al. 2011): Gerade politische Steuerungsinstitutionen, die gemeinhin für die Gestaltung gesellschaftlichen Wandels sorgen sollen, sehen sich mit einem zunehmenden Kontrollverlust klassischer top-down Interventionen konfrontiert und suchen verstärkt nach anderen Wegen, gesellschaftliche Steuerungsoptionen über bottom-up Ansätze neu zu realisieren. Als Beispiel hierfür bediene ich mich der in den letzten Jahren verstärkt erfolgten wissenschaftlichen, politischen und zivilgesellschaftlichen Thematisierung sogenannter sozialer Innovationen. Soziale Innovationen, so meine These, wurden im Zuge der Moderne zuerst zu einem dominanten Modus sozialen Wandels und entwickeln sich in der Folge zu einem reflexiven Steuerungsinstrument desselben (vgl. Beck und Kropp 2012). Speziell als politische Instrumente sollen sie eine an spätmoderne Verhältnisse angepasste Form gesellschaftlicher Veränderungen ermöglichen, die weniger als staatliche oder wirtschaftliche top-down Intervention, sondern als community-basierte bottom-up Invention verstanden werden (vgl. Grimm et al. 2013). Sie fügen so dem seit den 1970er Jahren aufko
Data Loading...