Special Issue: Spheres of Morality

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REPORT


Special Issue: Spheres of Morality Dagmar Borchers · Svantje Guinebert · Georg Mohr

Online publiziert: 23. November 2020 © Der/die Autor(en) 2020

1 Einleitung der Gastherausgeber Gemeinhin geht mit jeder der klassischen Moraltheorien (Tugendethik, Konsequentialismus, deontologischer Ethik und Kontraktualismus) der Anspruch einher, eine jeweils umfassende Moralkonzeption zu sein, die für alle einschlägigen moralischen Fragen Antworten parat hält – gemäß dem Prinzip „One size fits it all“. Die einzelnen Moraltheorien werden in ihren diversen Spielarten jeweils mit dem Anspruch weiterentwickelt, für alle Phänomene der Moral (darunter Verpflichtungen, die Idee des Guten, die Relevanz der Tugenden und andere Elemente des moralischen Denkens, Urteilens und Empfindens) eine plausible, aus einem Grundgedanken heraus entwickelte, systematisch-theoretische Einordnung sowie für diverse Anwendungsfelder und -probleme gute und adäquate Entscheidungsverfahren und konkrete Lösungsvorschläge vorlegen zu können. Im Kontext der systematischen Beschreibung des Phänomenbereiches der Moral, der theoretischen Durchdringung und systematischen Ordnung wie auch in Anwendungsfragen reklamiert jede Moraltheorie für sich, die beste, plausibelste und angemessenste zu sein. Das führt bis heute zu einem de facto unentschiedenen Wettstreit der Theorien untereinander, der auch im Bereich der Angewandten Ethik eine wichtige Rolle spielt. Auch hier geht es oftmals nicht nur darum, zu einem moralischen Konflikt systematisch Stellung zu beziehen, sondern explizit oder implizit auch um den Nachweis, dass man nur in dem von der D. Borchers () · S. Guinebert · G. Mohr Institut für Philosophie, Universität Bremen, Enrique-Schmidt-Str. 7, Postfach 330 440, 28359 Bremen, Deutschland E-Mail: [email protected] S. Guinebert E-Mail: [email protected] G. Mohr E-Mail: [email protected]

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D. Borchers et al.

Autorin oder dem Autor gewählten theoretischen Rahmen zu einer angemessenen Problemdarstellung und Lösung gelangen kann. Dieser Konkurrenzkampf hat über die Jahrhunderte dazu geführt, dass die klassischen Moraltheorien heute ein breites Spektrum an Varianten entwickelt haben und in Hinblick auf ihre vermeintlichen oder akzeptierten „Schwächen“ mit einer Vielzahl an Ideen zu deren Behebung aufwarten können. Die Diskussion um die Frage, welche Moraltheorie das Phänomen der Moral und des moralischen Denkens am tiefsten durchdrungen hat, kann man vor diesem Hintergrund als einen wichtigen und fruchtbaren „Motor“ der Moralphilosophie und ihrer dynamischen Entwicklung bezeichnen. Der Wettkampf ist aber – und das ist ein relevanter und bedenkenswerter Befund – bis heute unentschieden. Keine Moraltheorie ist aufgrund ihrer Unzulänglichkeiten oder grundsätzlicher Inadäquatheit aufgegeben worden; alle werden weiterhin diskutiert, angewendet und vehement philosophisch verteidigt. Die Konkurrenzsituation hat dabei durchaus ihre negativen Seiten: Die Frontstellung führt nicht zuletzt zu einer einseitigen Wahrnehmung derjenigen Theorie