Die Industrie- und Handelskammern im politischen System Deutschlands

Die öffentlich-rechtlichen Wirtschafts- und Berufskammern gelten neben den Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden als dritte Säule der organisierten Vertretung von Unternehmerinteressen im deutschen politischen System. Auf regionaler Ebene handelt es sich

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REPORT


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Einleitung

Die öffentlich-rechtlichen Wirtschafts- und Berufskammern gelten neben den Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden als dritte Säule der organisierten Vertretung von Unternehmerinteressen im deutschen politischen System. Auf regionaler Ebene handelt es sich um öffentliche Körperschaften, denen man qua Gesetz angehört und denen hoheitliche Aufgaben übertragen wurden. Daher weisen die deutschen Wirtschafts- und Berufskammern Besonderheiten auf, die sie wesentlich von den anderen Unternehmerorganisationen unterscheiden, die in dem vorliegenden Band thematisiert werden. Die Kammern operieren im Spannungsfeld zwischen delegierten öffentlichen Aufgaben und unternehmerischer Interessenvertretung. Sie definieren z. B. berufliche Bildungsstandards, organisieren Prüfungen, stellen Zeugnisse aus, organisieren Fachgutachten wie auch Schiedsgerichtsverfahren und entscheiden über Berufsanerkennungen. Zugleich vertreten sie unternehmerische Interessen ihrer Pflichtmitglieder, strukturieren die interne Interessenvermittlung und bieten ihren Mitgliedern Dienstleistungen an. Es handelt sich um Organisationen in „halbamt­ licher Zwitterstellung“ (Sebaldt und Straßner 2004, S. 219). Unter den deutschen Kammern organisieren die (am 1. Januar 2016) 79 regionalen Industrie- und Handelskammern (IHKn) mit ihren ca. 5,2 Mio. Mitgliedern (2014) bei Weitem die meisten Unternehmen. Als Dachverband fungiert der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der als eingetragener Verein primär auf Bundesebene wirkt. Dagegen sind IHKn (ebenso wie die Handwerkskammern) 1

Dies ist eine überarbeitete und aktualisierte Version des entsprechenden Kapitels aus der ersten Auflage, an dem Manfred Groser als Mitverfasser erheblichen Anteil hatte. Die Mitautoren und Herausgeber möchten Manfred Groser an dieser Stelle nochmals für seinen fachkundigen Beitrag zum ursprünglichen Kapitel danken.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 W. Schroeder und B. Weßels (Hrsg.), Handbuch Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände in Deutschland, DOI 10.1007/978-3-658-08176-8_4

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Detlef Sack/Wolfgang Schroeder

regional ausgerichtete Selbstverwaltungsorganisationen der gewerblichen Wirtschaft und Körperschaften des öffentlichen Rechts auf Grundlage des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern von 1956 (IHKG). In der knappen Definition von Wülker (1972, S. 6) ist die Industrie- und Handelskammer eine „Selbstverwaltungskörperschaft öffentlichen Rechts, die mit Ausnahme der zur Organisation des Handwerks Zählenden alle Gewerbetreibenden umfasst und deren Aufgabe es ist, das wirtschaftliche Gesamtinteresse der Unternehmer ihres Bezirkes wahrzunehmen“. Damit sind gegenüber den sonstigen Organisationen, die Unternehmensinteres­ sen vertreten, folgende Besonderheiten zu identifizieren: Die IHKn übernehmen hoheitliche Aufgaben, sie sind aufgrund der Pflichtmitgliedschaft nicht mit Rekru­ tierungsproblemen konfrontiert, sie haben eine starke regionale Stellung und sie vermitteln intern und branchenübergreifend zwischen