Die Jagd als zweifelhafte Schule der Tugenden
Mitglieder von Berufsgruppen, die in modernen Gesellschaften mit Gewalt und Tod zu tun haben, wie etwa Ärzte, Polizisten und Soldaten, dürfen erst nach entsprechender Einschulung gegen potentiell tödliche Krankheiten oder Personen vorgehen. Demgegenüber f
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Mitglieder von Berufsgruppen, die in modernen Gesellschaften mit Gewalt und Tod zu tun haben, wie etwa Ärzte, Polizisten und Soldaten, dürfen erst nach entsprechender Einschulung gegen potentiell tödliche Krankheiten oder Personen vorgehen. Demgegenüber fügen geprüfte Jäger vorsätzlich den Tod zu, obwohl keinerlei Gefahr für menschliches Leben und Gesundheit abzuwehren ist. Daher haftet das Stigma der Gewalttätigkeit an ihnen. Die Zahlen der Jagdkarteninhaber steigen in Österreich und Deutschland seit Jahrzehnten kontinuierlich (http://www.jagdnetz.de), doch die Gegner der Jagd nehmen ebenfalls zu. Im Fokus ihrer Kritik steht die Tatsache, dass der größte Teil der Jagenden einem sportlichen Spiel frönt, dessen angestrebte lustvolle Höhepunkte reale Tötungsakte darstellen (Bode und Emmert 1998, S. 26–85). Hinzu kommt, dass die Jagd weder dem Erhalt des Wildtierbestandes noch dem Schutz der Bäume oder Feldfrüchte dient. Vielmehr gehen Zoologen davon aus, dass das Gegenteil wahr ist: Man könnte in Europa heute auf die Jagd völlig verzichten (vgl. Reichholf 2013). Verteidiger der Jagd loben sie jedoch bis heute als pädagogisch wertvolle Freizeitbeschäft igung für junge Menschen. Die Jagdlust sei zutiefst menschlich und zeichne vor allem unternehmerisch veranlagte Führungspersönlichkeiten aus (vgl. Kühnle 1997, S. 340–43). Die Jagd müsse daher als Schule der Tugenden betrachtet werden, in der man den rechten Umgang mit Gewalt lerne, lauten die alten und neuen Argumente. Dieser Beitrag rekonstruiert die historischen Voraussetzungen solcher Behauptungen.
J. Bilstein et al. (Hrsg.), Bildung und Gewalt, DOI 10.1007/978-3-658-10810-6_10, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016
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Gabriele Sorgo
Die Aktualität von Jagd und Gewalt
Der meistbesuchte Kinofilm des Jahres 2013 war in Österreich Quentin Tarantinos Western Django unchained, in Deutschland erreichte er Platz drei im Ranking (http:// de.wikipedia.org/wiki/Filmjahr). Tarantinos Erfolg beruht auf seiner Fähigkeit, Gewalt mit Spaß zu verknüpfen (vgl. http://www.zeit.de/kultur/film/2013-01/). In seinem Film analysiert der Regisseur die Jagd auf Menschen. Ein schwarzer Sklave wird frei gekauft – unchained – und lernt in den Südstaaten der USA vor dem Bürgerkrieg sein Geschäft als Kopfgeldjäger auf Weiße. Ein Abenteurer mit Doktortitel lehrt Django das Lesen und bildet ihn zugleich als Killer aus. In dem Film geht es um eine in der damaligen Sklavenhaltergesellschaft noch legitime Jagd mit Hunden auf Afroamerikaner, weiter um eine legitime Menschenjagd ohne Hunde auf weiße Verbrecher und zuletzt um eine illegitime Jagd auf die weißen Vertreter unmenschlicher Gesetze, die gewisse Formen der Menschenjagd erlaubten. Der Film legt Herrschaftsverhältnisse dar, welche sich grundsätzlich in allen Aktivitäten des Jagens abzeichnen. Denn entfesselt werden nicht nur die Fußketten der Sklaven, sondern ebenso Aggressionen bei Unterdrückten und Verfolgten. Die Jagd thematisiert in den so genannten zivilisierten Gesellschaften grundsätzlich Fragen der Selbstbeherrschung und Fremdbe
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