Komik und Humor in Hermann Cohen
Auf einer schönen Seite seiner Erzählung Gog und Magog. Eine Chronik erzählt Martin Buber vom Tod des Rabbi David von Lelow: „Die Chassidim, die sich später um sein Bett versammelten, sahen, daß er lachte. ‘Warum lacht Ihr, Rabbi?’ fragten sie. ‘Ich lache
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Auf einer schönen Seite seiner Erzählung Gog und Magog. Eine Chronik1 erzählt Martin Buber vom Tod des Rabbi David von Lelow: „Die Chassidim, die sich später um sein Bett versammelten, sahen, daß er lachte . ‘Warum lacht Ihr, Rabbi?’ fragten sie . ‘Ich lache’, antwortete er, ‘weil die Leute, die sich so viel mit uns zweien, mir und meinem Gevatter, dem ‘Juden’, befaßt haben, nun auch mich los sein werden’ . Bald danach lachte er wieder . Nach dem Grund befragt sagte er: ‘Ich lache, weil der Traktat ‘David Sohn Salomos’ nun nicht mehr gelesen wird, bis Messias kommt . Außer dem ‘Juden’ hat ihn niemand aufgeschlagen, auch der Rabbi nicht’ . Und noch einmal lachte er . ‘Ihr wollt wissen’, sagte er, ‘warum ich lache? Ich lache Gott an, weil ich seine Welt angenommen habe, wie sie steht und geht’ . Damit kehrte er sich zur Wand und entschlief“ . Ich habe meine kurzen Reflexionen mit dieser Erzählung von Buber eingeleitet, weil die beschriebene Szene unzweifelhaft komisch ist, die Worte von Rabbi David von Lelow, vor allem die letzten, dagegen keineswegs komisch sind . Sie sind jedoch voller Humor . Es gibt also einen Unterschied zwischen dem Komischen und dem Humor, und dieser wird nicht immer klar betont . Was ich in den nachstehenden Betrachtungen zeigen möchte, ist der durchaus eigentümliche Charakter des Humors in Hermann Cohens Philosophie und die Tatsache, dass Cohen nicht zuletzt durch eine Abgrenzung des Humors von der Komik zur Formulierung dieses Charakters gelangt ist . Schon darin ist ein prägendes Kennzeichen von Cohens Theorie des Humors zu sehen . In seiner Vorschule der Ästhetik2 schlug Jean Paul 1804 bekanntlich eine Theorie des Humors vor, die großen Einfluss auf spätere Autoren hatte . Ich beschränke
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Buber (1963), 1235 . Jean Paul (1962) .
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 G. Hartung und M. Kleinert (Hrsg.), Humor und Religiosität in der Moderne, DOI 10.1007/978-3-658-12122-8_10
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Andrea Poma
mich darauf, zwei wichtige Merkmale dieser Theorie herauszustellen, die bedeutsam sind, um die Neuheit von Cohens Theorie, um die es auf den folgenden Seiten gehen soll, sichtbar zu machen. Erstens behauptet und analysiert Jean Paul die einschneidenden Unterschiede zwischen dem Humor als romantischer Literaturgattung und der früheren „plastischen“ Form des Komischen, doch betrachtet er die beiden Formen unter der einzigen Kategorie des „Lächerlichen“. Die Frage, die seine Untersuchung zum Humor einleitet, lautet nämlich: „Wie soll aber das Komische romantisch werden […]?“3 Zweitens hält Jean Paul es für ein Kennzeichen des Komischen überhaupt und des Humors als der romantischen Form desselben, dass sie auf unterschiedliche Weise durch einen Kontrast geprägt sind.4 In den letzten Jahrzehnten des 19. und den ersten des 20. Jahrhunderts haben verschiedene Autoren über den Humor geschrieben und dabei die genannten Merkmale von Jean Pauls Theorie aufgegriffen. Niemand hat indes die Eigentümlichkeit des Humors gegenüber dem Komischen so klar und grundsätzlich hervorgehoben wie Cohen, der sie n
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