Krank durch Blei-Genuss
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Der prominente Patient
Van Gogh, der Pinsel-Lecker und Lampenöl-Trinker
Krank durch Blei-Genuss Die exzentrische Persönlichkeit Vincent van Goghs (1853-1890) ist Legende und Anlass für dutzende Postmortem-Diagnosen. Eines scheint dabei außer Acht geblieben zu sein: van Goghs erhebliche Bleibelastung. Nicht, dass man sich im 19. Jahrhundert nicht auch ungewollt eine Bleivergiftung zuziehen konnte. Das Schwermetall fand sich überall im täglichen Leben: Wein wurde mit Bleiweiß und Bleizucker geschönt, Blei war Bestandteil von Farben, Arzneimitteln, Tabak, Kohlestaub, von Wasser aus Bleirohren und anderem mehr. Vincent van Gogh tat jedoch etwas, was ihm zusätzlich schadete: Er aß Blei. Er tat das bewusst, indem er die von ihm verwendeten bleihaltigen Farben aufnahm, etwa indem er die Pinselborsten mit den Lippen anspitzte oder mit Farbe überzogenen Pinsel am Stiel im Mund hielt. Er leckte seine farbverschmierten Hände ab. Und er trank Lampenöl. Das sei durch Zeitzeugen bestätigt, so Dr. Edward Weissman, Dozent für Innere Medizin an der University of Virginia, USA. Weissman wundert sich darüber, dass mehr als 150 Ärzte, die sich im Laufe der Zeit mit der Pathografie van Goghs auseinandergesetzt haben, dessen Symptome auf fast 30 verschiedene, vor allem neurologisch-psychiatrische Diagnosen zurückgeführt haben. Übersehen haben sie nach Auffassung des Internisten jedoch, dass all die bekannt gewordenen Krankheitszeichen des Malers sich gut mit einer chronischen Bleiintoxikation und einer sich daraus entwickelnden Enzephalopathie er-
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klären ließen. Diese würden manche psychopathologischen Erscheinungen bei van Gogh und schließlich auch den (angeblichen) Suizid begreiflich machen.
Ersatz für den toten Bruder ...
Freilich war van Gogh durch seine unglückliche Kindheit psychisch vorbelastet. Ein Jahr vor seiner Geburt war der Erstgeborene seiner Eltern, der Vater war Pfarrer, verstorben. Der tote Bruder trug ebenfalls den Vornamen Vincent. Als Kind musste van Gogh nach jeder Sonntagspredigt den Grabstein passieren, auf dem der gemeinsame Vorname stand. Die Mutter soll nie über den Verlust hinweg gekommen sein. Mit elf Jahren verlässt van Gogh das Elternhaus und besucht ein Internat. Bereits als Kind galt Vincent van Gogh als Sonderling und Eigenbrötler. Beruflich scheiterte er vielfach, trotz vorhandener Intelligenz und guter Kenntnisse in vier Fremdsprachen, sei es als Kunsthändler, Lehrer oder Prediger. In einem Brief an seine künftige Frau charakterisierte sein jüngerer Bruder Theo van Gogh im Jahre 1889 den Älteren so: „Wie Du weißt, hat er seit langem mit allem, was man Konventionen nennt, gebrochen. Seine Art sich zu kleiden und seine Allüren lassen sofort erkennen, dass er ein besonderer Mensch ist,
und seit Jahren sagt, wer seiner ansichtig wird: Das ist ein Verrückter.“ Theo finanzierte ihm das Leben, so gut es ging. Vincent „bezahlte“ Theo im Gegenzug mit Bildern, die sich zu Lebzeiten allerdings so gut wie nicht verkauften. Daher hatte Vincent van Gogh nie Geld, hungerte oft, litt häufig an
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