Neuere Forschungen zur Selbstmobilisierung der Wissenschaften im Nationalsozialismus

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REPORT


N.T.M. 20 (2012) 215–224 0036-6978/12/030215-10 DOI 10.1007/s00048-012-0076-7 Published online: 25 August 2012 Ó 2012 SPRINGER BASEL AG

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Neuere Forschungen zur Selbstmobilisierung der Wissenschaften im Nationalsozialismus Karin Orth

Annette Hinz-Wessels 2008: Das Robert Koch-Institut im Nationalsozialismus. Berlin: Kulturverlag Kadmos, geb., 192 Seiten, 22,50 €, ISBN-13: 978-3-86599-073-0. Marion Hulverscheidt und Anja Laukötter (Hg.) 2009: Infektion und Institution. Zur Wissenschaftsgeschichte des Robert KochInstituts im Nationalsozialismus. Göttingen: Wallstein Verlag, brosch., 270 S., 26,90 €, ISBN-13: 978-3-8353-0507-6. Noyan Dinckal, Christof Dipper und Detlev Mares (Hg.) 2010: Selbstmobilisierung der Wissenschaft. Technische Hochschulen im ‘‘Dritten Reich’’. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, brosch., 300 S., 49,90 €, ISBN-13: 978-3-534-23285-7. Sabine Schleiermacher und Udo Schagen (Hg.) 2009: Wissenschaft macht Politik. Hochschule in den politischen Systembrüchen 1933 und 1945. Stuttgart: Steiner Verlag, brosch., 266 S., 34,00 € ISBN-13: 978-3-515-09315-6. Bis in die 1990er Jahre hinein verstand und beschrieb die Wissenschaftsgeschichte den Nationalsozialismus als etwas, das u¨ber die Wissenschaft und die unpolitische Professorenschaft ,,hereingebrochen‘‘ sei und dem sich die meisten Gelehrten so gut es eben ging entzogen ha¨tten. Nur wenige Wissenschaftler ha¨tten sich dem Regime angedient oder gar an Verbrechen

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beteiligt. Dabei habe es sich jedoch nicht um Forschung gehandelt, sondern entweder um skurrile Sonderwege oder Pseudowissenschaft. Inzwischen hat sich jedoch ein neues Versta¨ndnis durchgesetzt. Die neuere Wissenschafts¨ berlegungen und Studien von Herbert geschichte, die den konzeptionellen U Mehrtens und Mitchell G. Ash viel verdankt, betont die ‘‘Kollaborationsverha¨ltnisse‘‘ (Mehrtens) und versteht Nationalsozialismus und Wissenschaft als ,,Ressourcen fu¨reinander‘‘ (Ash). Der neue Ansatz la¨sst sich auf die Formel bringen: Selbstmobilisierung der Wissenschaftler, der Forschung und ihrer Selbstverwaltungsorganisationen fu¨r die Ziele des Nationalsozialismus statt ,,Missbrauch‘‘ der Wissenschaftler, der Forschung und der Wissenschaftsorganisationen durch den Nationalsozialismus. Inzwischen sind zahlreiche empirische Belege dafu¨r erbracht worden – zuletzt etwa durch die groß angelegten Forschungsprogramme zur ,,Geschichte der Kaiser-WilhelmGesellschaft im Nationalsozialismus‘‘ (siehe dazu Ash in NTM 18 (2010), 79-118) sowie zur ,,Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 19201970‘‘. Und die zu besprechenden Ba¨nde? Pra¨sentieren sie weitere empirische Nachweise, die diese Sicht besta¨tigen, variieren oder entwickeln sie diese fort? Die Monographie von Annette Hinz-Wessels und der Sammelband von Marion Hulverscheidt und Anja Lauko¨tter zum Robert Koch-Institut (RKI) sind Resultat eines zweija¨hrigen Forschungsvorhabens, angeregt und finanziert durch das untersuchte Institut selbst, das den Historikerinnen die Aufgabe stellte, den ,,Verstrickungen des Rober