Stalking und Affektdelikte

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REPORT


Harald Dreßing1 · Henning Saß2 1

Zentralinstitut für seelische Gesundheit, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Mannheim, Deutschland 2 Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, Universitätsklinikum RWTH Aachen, Aachen, Deutschland

Stalking und Affektdelikte Diskussion eines Fallbeispiels zum Expartnerstalking

Hintergrund: Partnerschaftsgewalt, Affektdelikte, Stalking Seit 2015 erfasst das Bundeskriminalamt Statistiken zur Partnerschaftsgewalt. Darunter werden Straftaten wie z. B. Mord und Totschlag, Körperverletzungen, sexuelle Übergriffe, Vergewaltigung, Bedrohung, Stalking, Nötigung und Freiheitsberaubung subsumiert [1]. Die erfassten Fälle sind von 126.230 im Jahr 2014 auf 140.755 im Jahr 2018 gestiegen, was die zunehmende Bedeutung von Gewalt in Partnerschaften verdeutlicht. Mit 82,1 % im Jahr 2017 und 81,3 % im Jahr 2018 ist der weit überwiegende Anteil der Opfer weiblich. Im Jahr 2018 betrafen 118 vollendete Tötungsdelikte im Rahmen von Partnerschaftsgewalt Frauen, Männer waren in 24 Fällen betroffen und auch bei versuchten Tötungsdelikten waren Frauen deutlich häufiger betroffen als Männer (206 vs. 70). Versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten im Kontext einer – häufig von einer Seite beendeten – Partnerschaft geht nicht selten eine schon längere Zeit vor der Tat bestehende ambivalente Täter-Opfer-Beziehung mit chronischer Affektspannung voraus, sodass in vielen dieser Fälle im Rahmen eines forensischpsychiatrischen Schuldfähigkeitsgutachtens die Frage zu klären ist, ob zum Tatzeitpunkt eine sog. „tiefgreifende Bewusstseinsstörung“ im Sinne der § 20, 21 Strafgesetzbuch (StGB) vorgelegen haben könnte. Zur Beurteilung dieser komplexen psychopathologischen Situation wurde von Saß ein Kriterienkatalog

publiziert[2], dem inderRechtsprechung nach wie vor hohe Bedeutung zukommt und der durch Publikationen anderer Autoren teilweise ergänzt und erweitert wurde (z. B. [3, 4]). Affektdelikte gibt es in unterschiedlichen Konstellationen, in der vorliegenden Arbeit wird nur die Problematik von Affektdelikten beleuchtet, die sich im Zusammenhang einer konflikthaften Entwicklung mit einem Beziehungspartner ergeben kann. Häufig gehen versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten im Kontext von gescheiterten Partnerschaften eskalierende Verläufe mit Nachstellen und Bedrohen von Seiten des späteren Täters voraus, weil dieser sich mit der Trennung nicht abfinden will. Winfried Rasch hat in seiner Habilitationsschrift „Tötung des Intimpartners“ solche Verläufe im Vorfeld von Tötungsdelikten beschrieben, die man in heutiger Terminologie als typische Stalkingverhaltensweisen bezeichnen würde [5]. In der vorliegenden Arbeit soll deshalb erörtert werden, inwieweit der Nachweis von Stalkingverhaltensweisen des Täters im Vorfeld einer Gewalttat zum Nachteil eines Intimpartners einen Beitrag leistet zur Beurteilung der Frage, ob zum Tatzeitpunkt eine „tiefgreifende Bewusstseinsstörung“ mit Relevanz für die Schuldfähigkeit vorgelegen haben könnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Stalking ein sehr heterogen