Schmerzquelle Iliosakralgelenk
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Schenker · M. Schiltenwolf · M. Schwarze · W. Pepke · S. Hemmer · M. Akbar Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Deutschland
Schmerzquelle Iliosakralgelenk Funktionelle Anatomie, Symptome und klinische Bedeutung
Das Iliosakralgelenk (ISG) ist häufig ursächlich für tieflumbale Rückenschmerzen und somit nicht nur aus medizinischer Sicht, sondern auch gesundheitsökonomisch relevant. Das Beschwerdebild ist vielfältig, die klinischen Tests zum Teil unzuverlässig und somit die Diagnosestellung erschwert. Evidenzbasierte Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von ISGBeschwerden existieren bisher nicht. Häufig kommt es daher zu frustranen Therapieversuchen oder gar zur „Überdiagnostik“ und „Übertherapie“.
Hintergrund Der Rückenschmerz ist mit einer Lebenszeitprävalenz von ca. 85 % eines der häufigsten muskuloskelettalen Erkrankungsbilder [25]. Eine aktuelle Analyse aus dem Jahr 2019 des Unternehmens Morgen & Morgen (M&M) zeigt zudem, dass der Rückenschmerz die zweithäufigste Ursache für eine Berufsunfähigkeit in Deutschland darstellt. Die Rolle des Iliosakralgelenks als mögliche Schmerzquelle wurde früher lange Zeit unterschätzt und wird bis heute immer wieder kontrovers diskutiert [6, 36]. Mittlerweile weiß man, dass die Ursachen, die zu Beschwerden im ISG führen können, vielfältig sind [4, 19, 20, 37]. Neben spezifischen Ursachen wie Trauma, Schwangerschaft, entzündliche Arthropathien, degenerative Veränderungen der angrenzenden Gelenke, der Implantation von Hüftendoprothesen oder nach Operationen der Lendenwirbelsäule, wird ein Zusammenhang des Schmerzes zu einer fehlerhaften Position oder
Bewegung im ISG diskutiert. Neben dem grundlegenden Verständnis der funktionellen Anatomie sollte das biopsychosoziale Krankheitsmodell in die klinische Arbeit miteinbezogen werden, um patientenbezogen die Ursachen der jeweiligen Beschwerden zu identifizieren und die richtige Therapieentscheidungen zu treffen.
Funktionelle Anatomie Das Iliosakralgelenk ist ein echtes Gelenk mit einer Gelenkkapsel und Gelenkflüssigkeit [22]. Die gelenkbildenden Flächen setzen sich aus den sakralen Segmenten S1–S3, bestehend aus dickem hyalinem Knorpel, und dem Os Ilium, bestehend aus einer dünnen Faserknorpelschicht, zusammen. Als Verbindungsglied zwischen der Wirbelsäule und der unteren Extremität ist das ISG besonderen Belastungen ausgesetzt und bedarf daher einer hohen Stabilität. Lange Zeit hielt man das ISG für immobil. Studien konnten dies widerlegen und eine minimale Bewegung im ISG mit 4° Rotation (im Wesentlichen um die Transversalachse) und 1,6 mm Translation nachweisen [29]. Die Hauptbewegungen in sagittaler Ebene entstehen bei lumbosakraler Flexion (. Abb. 1a) und Extension (. Abb. 1b). Charakteristisch ist die hohe Stabilität bei geringer Beweglichkeit. Ursächlich für diese Stabilität ist der stark ausgeprägte Kapsel-Band-Apparat und die unregelmäßige aurikuläre Architektur der Gelenkflächen. Mehrere myofasziale Strukturen stabilisieren zusätzlich das ISG: die Wichtigsten sind der M. latissimu