Sylvia Wagner (2020). Arzneimittelversuche an Heimkindern zwischen 1949 und 1975.

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(2020). Arzneimittelversuche an Heimkindern zwischen 1949 und 1975. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag, ISBN 978-3-86321-532-3 (Printed book, 34,95 €), ISBN 978-3-86321-520-0 (eBook, 27,99 €), 243 Seiten Mit diesem Buch veröffentlicht die 1964 in Essen geborene Pharmazeutin und freiberufliche Pharmaziehistorikerin Sylvia Wagner ihre Dissertation mit dem Titel „Arzneimittelprüfungen an Heimkindern von 1949 bis 1975 in der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der Neuroleptika sowie am Beispiel der Rotenburger Anstalten der Inneren Mission“, die sie im März 2019 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vorgelegt hat. Darin belegt und erörtert die Autorin, wie Kinder jahrzehntelang in Heimen systematisch für Medikamententests missbraucht wurden. Um ruhig gestellt zu werden, wurden in dieser Zeit Kinder unter anderem gezwungen, Psychopharmaka, Präparate und Substanzen einzunehmen, die heute gegen Demenz eingesetzt werden. Unerwähnt blieb dabei von den Ärzten, dass es sich teils um nicht zugelassene Medikamente handelte. Mit dem Ergebnis, dass nicht allzu selten aus gesunden Kindern kranke Erwachsene wurden. „Unter anderem widersprechen die Versuche aufgrund offensichtlich fehlender Einwilligungen von gesetzlichen Vertretern oder Sorgeberechtigten der Kinder und Jugendlichen ethischen und rechtlichen Standards der damaligen Zeit. Auch scheint es keine Nutzen-RisikoBewertungen gegeben zu haben. Absehbare, akute Nebenwirkungen sind aufgetreten. Neben den zunächst bekannt gewordenen psychischen, physischen und sexuellen Gewaltformen in der Heimerziehung tritt hier mit der medikamentösen „Ruhigstellung“ und der Nut-

zung der Heimbewohner als Versuchsobjekte eine weitere Gewaltform in Erscheinung: die medikamentöse bzw. medizinische Gewalt. Möglich waren die Prüfungen aufgrund eines gesellschaftlichen Diskurses zur Verwahrlosung von Kindern und Jugendlichen, vor dem Hintergrund eines virulenten eugenischen Verständnisses.“ (S. 14). Dabei ging es vordergründig darum zu testen, ob mithilfe von eben in der Regel noch nicht zugelassenen Arzneimitteln erwünschtes Verhalten oder Sedierung erreicht werden kann. In teils systematischen Versuchen wurden in diesem Kontext außer Neuroleptika unter anderem auch Präparate gegen Bettnässen, zur Gewichtsreduktion oder Triebdämpfung eingesetzt. Um Antworten zu finden, hat Sylvia Wagner in Prüfberichten, Dokumenten aus pharmazeutischen Unternehmen und Bewohnerakten einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung recherchiert. Gefunden hat sie dabei Opfer und Täter, ökonomische und gesellschaftliche Interessen. Gefunden hat sie Menschen, die oftmals in der Psychiatrie gestrandet sind. „Die inadäquate Behandlung der Deprivationserfahrungen des Jungen führte zu einer Eskalation von Verhaltensauffälligkeiten und Aggressionen, denen mit einer Einweisung in die Behinderteneinrichtung, immer höheren Dosen von Medikamenten, Isolation, wahrscheinlich durchgeführten Hirnoperationen und schließlich einer Einweisung in ein LKH begegnet wurde. Möglicherweise hätte Uwe B.