Weinhefen: Tradition oder Avantgarde?

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Ein Prosit zum Jubiläum

Weinhefen: Tradition oder Avantgarde? JÜRGEN WENDLAND INSTITUT FÜR MIKROBIOLOGIE UND BIOCHEMIE, HOCHSCHULE GEISENHEIM UNIVERSITY

Zu jeder Feier gehört ein gutes Gläschen Wein oder Sekt. Für das Aroma sind Weinhefen zuständig (Abb. 1). Neben Saccharomyces cerevisiae stehen andere Hefen aus einer großen Biodiversität zur Verfügung. Das BIOspektrum-Jubiläum ist ein Anlass, einen Blick auf die Möglichkeiten mit diesen „nicht-konventionellen Hefen“ zu werfen. DOI: 10.1007/s12268-020-1486-z © Springer Verlag GmbH 2020

ó Viele Jahrhunderte lang wurde Traubenmost sich selbst überlassen und „spontan“ zu Wein vergoren. Erst mit dem Aufkommen der Mikrobiologie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde klar, dass die Hefe Saccharomyces cerevisiae den entscheidenden Anteil daran hat, Most zu Wein zu verwandeln [1]. Da „wilde“ Hefen Bierfermentationen beeinträchtigten, isolierte Emil Christian Hansen 1883 am Carlsberg Laboratory eine Hefe-Reinkultur, die in der Lage war, qualitativ hochwertiges Bier zu produzieren [2]. Dies kam einer Revolution gleich, die Julius Wortmann auch für die Weinbereitung übernahm. Die 1894 gegründete Geisenheimer Hefe-Reinzuchtstation isoliert und charakterisiert Weinhefen und stellt sie als Starter-Flüssigkulturen Winzern zur Verfügung [3]. Heutzutage stehen den Winzern verschiedene gärstarke Trockenhefen zur Verfügung. Dabei erfreuen sich einige wenige Hefestämme, z. B. EC1118 oder VIN13, weltweit großer Beliebtheit für die Wein- und Sektbereitung. Pilsner Bierhefen sind Hybride aus den Arten S. cerevisiae und S. eubayanus [4]. Ebenso handelt es sich bei vielen Weinhefen um Hybride oder um Stämme, die über horizontalen Gentransfer (HGT) DNA-Fragmente von anderen Hefen erhalten haben. Einige Weinhefen sind Hybride aus S. cerevisiae und S. kudriavzevii [5]. EC1118 hat über HGT DNASequenzen von Torulaspora microellipsoides aufgenommen [6]. Die Weinhefen liefern neben dem Alkohol wesentliche Aromabestandteile. S. cerevisiae dominiert Fermentationen, da sie auch unter BIOspektrum | 07.20 | 26. Jahrgang

Sauerstoffabschluss Zucker zu Alkohol vergären kann. Dies gelingt nur wenigen anderen Hefen, z. B. Brettanomyces/Dekkera bruxellensis, die mit ihren phenolischen Fehlaromen, die nach Pferdestall riechen, Weine verdirbt [7]. Durch HGT und Hybridisierung hat die Natur Hefe-Spielarten hervorgebracht, die wegen ihrer vorzüglichen Eigenschaften von Winzern selektiert wurden. Wir können Hefen zwar mittels Gentechnik ebenfalls verändern, allerdings sind solche gezielt erzeugten GVO-Hefen unpopulär und spielen in der Weinproduktion fast keine Rolle. Trotz der inzwischen vorhandenen Möglichkeiten, das gesamte Hefegenom neu zu synthetisieren, kennen wir die nötigen Bausteine für eine ideale Weinhefe noch nicht [8]. Wo ist aber die (nicht-GVO-)Hefe-Avantgarde unserer Zeit? Da der Druck auf die Winzer, qualitativ erstklassigen Wein zu erzeugen, sehr groß ist, ist verständlich, dass hier die Experimentierfreude eher begrenzt ist. Allerdings geht ein starker Trend dahin, Weine auf mögl