Angst essen Impfbereitschaft auf?

  • PDF / 514,382 Bytes
  • 7 Pages / 595.276 x 790.866 pts Page_size
  • 30 Downloads / 232 Views

DOWNLOAD

REPORT


sch · P. Schmid Center for Empirical Research in Economics and Behavioral Sciences (CEREB), Universität Erfurt

Angst essen Impfbereitschaft auf? Der Einfluss kognitiver und affektiver Faktoren auf die Risikowahrnehmung im Ausbruchsgeschehen

Häufig erleben wir, dass unsere Gefühle (Affekt) und Gedanken (Kognitionen) nicht in dieselbe Richtung weisen: Nach den Terroranschlägen in New York im Jahr 2001 wählten beispielsweise viele Amerikaner eher das Auto als das Flugzeug, um innerhalb Amerikas zu reisen. Ihr Gefühl sagte ihnen: Reisen mit dem Flugzeug ist gefährlich! – obwohl sie vielleicht wussten, dass die Wahrscheinlichkeit, auf langen Reisen mit dem Auto zu verunglücken, ungleich höher ist als bei Reisen mit dem Flugzeug [1]. In der Influenzapandemiezeit 2009 stand die Bevölkerung vor der Wahl, sich impfen zu lassen oder sich der Gefahr auszusetzen, an der Influenza A (H1N1) zu erkranken. Das Wissen um eine wahrscheinliche Ansteckung und um möglicherweise schwerwiegende Krankheitsverläufe stand im Gegensatz zu Gefühlen diffuser Angst vor dem Impfstoff. Beispiele für mögliche Auslöser dieser Angst [2] sind die von Impfgegnern kritisierte Verwendung von Thiomersal in Impfstoffen [3] oder die in Serien-EMails verbreitete Idee, das im pandemischen Impfstoff enthaltene Squalen verursache das Golfkriegssyndrom [4]. Was beeinflusst nun die (Impf-)Entscheidung stärker: das gefühlte Risiko zu erkranken bzw. Nebenwirkungen zu erleiden oder die kognitive Einschätzung der jeweiligen Risiken? Anhand von Daten, die wir während der H1N1-Pandemie 2009 erhoben ha-

124 | 

ben, wird im Folgenden der relative Einfluss von kognitiver und affektiver Risikowahrnehmung auf die Impfbereitschaft untersucht. Dabei legen wir ein besonderes Augenmerk auf Angst. Angst wird in vielen Studien häufig als (einziger) Prädiktor erfasst und ist vor allem in Ausnahmesituationen, wie z. B. bei Influenzaausbrüchen relevant. Ferner wird häufig diskutiert, ob zur Erhöhung der Impfraten sog. Furchtappelle eingesetzt werden sollten. Furchtappelle sind eine Kommunikationsstrategie, die nicht auf Information und Beratung, sondern eher auf überredendes Überzeugen setzt (sog. Persuasion). Dabei wird gezielt Angst ausgelöst, um ein Schutzverhalten zu erwirken. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie werden hinsichtlich ihrer Implikationen für die Krisenkommunikation diskutiert.

Risikowahrnehmung: Affekt und Kognition Psychologische Theorien zum Schutzverhalten nehmen an, dass Personen sich dann schützen, wenn sie ein hohes Risiko wahrnehmen, etwa an einer Krankheit zu erkranken [5, 6]. Dem entgegen wirkt das Risiko, das die Schutzmaßnahme selbst mit sich bringt – wie z. B. mögliche Nebenwirkungen einer Impfung [7, 8]. Weitere Aspekte wie die wahrgenommene Empfänglichkeit für die Krankheit, der erwartete Nutzen einer Schutz-

Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 1 · 2013

maßnahme (z. B. einer Impfung) und die Barrieren, die ihrer Umsetzung im Wege stehen (z. B. Impfung nur im Gesundheitsamt mit langen Wartezeiten statt bequem beim