Botulinumtoxin in der Neurologie

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REPORT


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J. Heckelmann, D. Tapias, M. Dafotakis Neurologische Klinik, Universitätsklinik der RWTH Aachen, Aachen, Deutschland

Botulinumtoxin in der Neurologie Biochemie

Geschichte

Botulinumtoxine sind eine durch Bakterien aus der Gattung der Clostridien gebildete Familie von Proteinen, zu denen 7 verwandte, jedoch immunologisch unterschiedlich wirkende Serotypen mit unterschiedlichen Zielstrukturen und toxischer Potenz gehören. Eine initial gebildete inaktive Polypeptidkette (150 kDa) wird durch eine Proteinase in eine 100 kDa schwere Kette und eine 50 kDa leichte Kette, die durch eine Disulfidbrücke verbunden sind, gespalten und hierdurch aktiviert. Das natürlich vorkommende Toxin besteht aus diesem Botulinumneurotoxin und sog. „non-toxic neurotoxin-accessory proteins“ (NAP), die strukturstabilisierend wirken [1].

Eine erste wissenschaftliche Beschreibung der Vergiftung durch Botulinumtoxin, heute als Botulismus bekannt, erfolgte 1822 durch Justinus Kerner als sog. „Fettgift“, 1897 isolierte Emile van Ermengen erstmals das Bakterium, damals als „Bacillus Botulinus“ [12]. Nachdem eine medizinische Anwendung von Botulinumtoxin aufgrund der hohen Toxizität lange Zeit als unkalkulierbar galt, begann der amerikanische Augenarzt Alan Brown Scott Ende der 1970er Jahre mit der Erforschung des Effekts des Botulinumtoxins Serotyp A (BoNT-A) bei Strabismus. Durch gezielte, EMG-gesteuerte Injektion des aufbereiteten Toxins konnte er eine isolierte Schwächung der betroffenen Augenmuskeln ohne Anhalt für systemische Nebenwirkungen erzielen [3]. Außerdem behandelte er erste Probanden mit Blepharospasmus und Tortikollis. Nach mehrjähriger Testung erreichte Scott 1989 die FDA-Zulassung für sein Präparat Oculinum , 1991 verkaufte er die Rechte am Medikament, und es wird heute als Onabotulinumtoxin A (Botox ) geführt. Im gleichen Jahr erfolgte in Großbritannien die Zulassung von Abobotulinumtoxin A (Dysport ), eine ebenfalls BoNT-A enthaltende, jedoch nicht bioäquivalente Formulierung. Im Jahr 1993 veröffentlichten Koman et al. [4] eine erste Arbeit zur Nutzung von BoNT-A zur Behandlung von Spastiken bei Kindern mit infantiler Zerebralparese. Aufgrund der verbreiteten Nutzung der Präparate fielen jedoch zunehmend Patienten mit sekundärem Wirkungsverlust auf, wobei u. a. eine Antikörperbildung gegen das BoNT-A-Molekül oder der Komplexproteine angenommen wurde, weswegen Alternativpräparate mit Botulinumtoxin B (Neurobloc /Myobloc ) entwickelt wurden. Im Jahr 2005 kam mit Incobotulinumtoxin (Xeomin ) erstmals ein BoNT-A-Präparat auf den Markt, das anstatt einer Komplexproteinmischung als Alleinstellungsmerkmal nur das reine Neurotoxin enthielt und welches nicht mehr gekühlt aufbewahrt werden muss [7]. Im weiteren Verlauf konnten die zugelassenen Indikationen für BoNT-A-Präparate zunehmend erweitert werden. Klinisch häufige Indikationen zur Behandlung mit BoNT-A sind heutzutage fokale Dystonien, wie z. B. der Blepharospasmus oder die zervikale Dystonie, der Spasmus hemifacialis sowie Erkrankungen mit fokaler Spastik der oberen/unteren