Das Blut der Erde

  • PDF / 123,490 Bytes
  • 1 Pages / 595.276 x 790.866 pts Page_size
  • 22 Downloads / 207 Views

DOWNLOAD

REPORT


URO-Kult

Dosis sola facit venenum

Das Blut der Erde

G

riechischer Wein sei so wie das Blut der Erde, sang der Austro-Sinatra und Grand-Prix-Gewinner (1966; „Merci, Cherie“) Jürgen Udo Bockelmann ­ badebemäntelt und Kamillen­tee schlürfend in der Zugabenabteilung seiner Konzerte und alle sangen wie aus einer Kehle mit. Umso erfreulicher ist, dass nicht nur Schläge auf den Hinterkopf das Denk­ vermögen erhöhen, sondern nun bewiesenermaßen auch geringer bis moderater Alkoholkonsum! Der alte (Max von) Pettenkofer muss das schon gewusst ­ ­haben, als er in seiner Vorlesung coram publico nach einer Philippika gegen ­Robert Koch eine Aufschwemmung von Cholera-Vibrionen trank: Nach einem „starken“ Frühstück (preußisch; mit Schnaps) war er besonders brillant – und keim­ resistent! Auch der Schweizer ­Ur-Arzt Theophrastus Bombastus von

Hohenheim (Paracelsus) muss eine Ahnung d ­ avon gehabt haben, als er postulierte, die Dosis allein mache das Gift: Eine große populationsbasierte Kohortenstudie mit 20.000 Menschen aus den USA konnte in einer Sekundäranalyse der Health-and-Retirement-Studie zeigen, dass geringer bis moderater Alkoholkonsum mit einer höheren kognitiven Funktionskurve und einer geringeren ­kognitiven Abbaurate einherging. Die Wahrscheinlichkeit für kognitiven Verfall war im Vergleich zu Abstinenzlern um 34 % geringer, auch die Unterschiede im Hinblick auf mentalen Status, Worterinnerung und Wortschatz waren signifikant – die moderaten Trinker ­waren den Nicht-Trinkern bei den Testergebnissen überlegen. Der jährliche ­kognitive Funktionsverlust war in der Gruppe mit maßvollem Alkoholkonsum signifikant niedriger. Vermutet werden antioxidative, antithrombotische und ­vasodilatierende Effekte, auch Effekte auf den Lipidstoffwechsel durch Anhebung des HDL-Cholesterins. Vielleicht war der große deutsche Philosoph Heinz Erhardt deshalb so unwiderstehlich wortwitzig („Noch ein Gedicht“), weil der Perfektionist bekanntermaßen vor seinen Conférencen und Vorträgen mit einem „Klaren“ seine Sinne schärfte. Auch weiß man von dem französischen Maler Maurice Utrillo, dass er mit hochprozentiger „­Preload“ schönere Bilder schuf.

© United Archives / kpa / picture alliance

Letztlich ein Zellgift

Entertainer Udo Jürgens am Klavier

66

Trotz dieser positiven Wirkungen beeilte sich der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Prof. Peter Berlit, Wasser in den Studien-Wein zu gießen: Alkohol sei letztlich ein Zellgift, auf das Nerven- und Gehirnzellen besonders empfindlich reagieren. Der Experte möchte daher diese Studie keinesfalls als Freibrief für den ungezügelten Alkoholkonsum verstanden wissen. Schiebt man den Scherz kurz beiseite, richtet sich diese Warnung vor allem

auch an Mediziner, die eine unheilvolle Tradition hoher D ­ rogenaffinität pflegen. Und der Weg vom sozial akzeptierten oder gar promovierten Alkoholgenuss zur persönlichkeitsvernichtenden Abhängigkeit ist insbesondere unter den teilweise extrem b ­elastenden Arbeits­ bedingungen in der Medizin nicht weit. Etwa 23 % der Ärzte in Deutsch