Das Stigma psychischer Krankheit im Fokus
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rg Schomerus1 · Steffi Riedel-Heller2 1
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychothreapie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland 2 Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Leipzig, Deutschland
Das Stigma psychischer Krankheit im Fokus In Zeiten, in denen die COVID-19-Pandemie unser gesellschaftliches Miteinander auf vielen Ebenen einschneidend verändert, wird einmal mehr deutlich, wie stark dieses Miteinander auch unseren Umgang mit psychischer Krankheit prägt. Gesellschaftliche Prozesse haben Einfluss darauf, wie gut oder schlecht man mit einer psychischen Krankheit leben kann. So ist auch das Stigma psychischer Krankheit nicht in erster Linie ein psychiatrisches Problem, sondern ein gesellschaftliches. Schließlich ist Stigma kein Krankheitssymptom, sondern Ausdruck des gesellschaftlichen Umgangs mit psychischer Krankheit. Stigmatisierung findet mehr oder weniger stark in Abhängigkeit davon statt, wie gut oder wie schlecht wir als Gesellschaft mit psychischer Krankheit umgehen können.
Stigma beeinträchtigt den »Verlauf psychischer Krankheiten Trotzdem ist die Psychiatrie eng mit dem Phänomen Stigma verbunden: zum einen, weil durch die psychiatrische Diagnose und Behandlung ein Labeling stattfindet, das zum Prozess der Stigmatisierung beitragen kann [2], zum anderen, weil öffentliches Stigma, Selbststigma und strukturelle Diskriminierung das Befinden unserer Patientinnen und Patienten beeinträchtigen, den Verlauf psychiatrischer Krankheiten negativ beeinflussen und vielfach auch der Inanspruchnahme professioneller Hilfe im Weg stehen.
In diesem Themenheft des Nervenarztes widmen sich 4 Arbeiten verschiedenen Aspekten der Stigmatisierung von Menschen mit psychischen Krankheiten und zeigen sowohl neue Richtungen wie auch praktische Implikationen der Stigmaforschung auf. Die 1. Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen Suizidalität und der Stigmatisierung suizidalen Verhaltens. Erst kürzlich ist insbesondere das Risiko poststationärer Suizide wieder in den Fokus gelangt [5]. Oexle et al. analysieren in einer Übersicht, die mit der medizinischen Literatur der Antike beginnt, den komplexen Zusammenhang zwischen Suizidstigma und Suizidprävention. Im 2. Beitrag des Themenheftes zeigen Speerforck und Schomerus auf, dass das Konzept der sozialen Milieus hilfreich sein kann, um Bevölkerungsgruppen zu definieren, bei denen einerseits stigmatisierende Einstellungen gegenüber psychischer Krankheit besonders prävalent sind und die andererseits besonders schlecht von psychiatrischen Versorgungsangeboten erreicht werden. Die Arbeit trägt damit auch der Tatsache Rechnung, dass die Unter- und Fehlversorgung von Menschen mit psychischen Krankheiten immer noch unzureichend verstanden ist [1]. Die Stigmaforschung hat sich in den letzten Jahren ausführlich damit befasst, ob sich bestimmte ätiologische Vorstellungen von psychischer Krankheit günstig auf die Stigmatisierung auswirken oder nicht. Die zunächst weit verbreitete Hoffnung, biologische Krankheitskonz
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