Ein Ausschlag wie ein Sternenhimmel

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REPORT


Friedrich A. Bahmer Münster, Deutschland

Ein Ausschlag wie ein Sternenhimmel Michail Bulgakow und die Syphilis im revolutionären Russland

Kaum hatMichail Bulgakow(1891–1940) sein Medizinstudium an der Universität in Kiew abgeschlossen und seinen Militärdienst geleistet, verschlagen ihn die Vorwehen der Russischen Revolution aus dem Hörsaal in die ländliche Einöde eines kleinen Provinzkrankenhauses in der Nähe von Smolensk [1]. Von wenigen Mitarbeiterinnen unterstützt, wird er dort innerhalb eines einzigen Jahres etwa 15.000 Patienten behandeln! Seine Erlebnisse und seine besonders eindrucksvollen Fälle veröffentlicht er 1927 in seinem Tagebuch [3]. Aus dermatologischer Sicht ragt unter seinen meisterhaften Erzählungen „Ein Ausschlag wie ein Sternenhimmel“ hervor: „Der Mann drehte sich so, wie ich wollte, und das Licht der Petroleumlampe beschien seine gelbliche Haut. Dieses Gelb war auf der gewölbten Brust und auf den Hüften von einem Ausschlag marmoriert. Wie ein Sternbild am Himmel, dachte ich mit einem kalten Schauer und beugte mich zu der Brust, dann hob ich den Blick. . . . Das ist sie, die Syphilis, sagte ich noch einmal streng zu mir. Ich begegnete ihr zum ersten Mal in meinem Leben als Arzt.“ Der Patient kommt aber nicht wegen des Hautausschlags in die Sprechstunde, sondern wegen seiner Heiserkeit. Die Hautveränderungen entdeckt Bulgakow nur, weil sich der Patient entkleiden muss, wie damals bei ärztlichen Untersuchungen üblich. Bei dieser Untersuchung bemerkt Bulgakow dann auch weiße FleFrau Professor Dr. med. Silvia Schauder (Göttingen) zum 80. Geburtstag gewidmet.

cke an der Mundschleimhaut und den bereits vernarbten Primäraffekt. Mit diesen Symptomen schwinden seine letzten Zweifel, dass es sich bei den Veränderungen um die Manifestation einer sekundären Syphilis handelt, und er empfindet den gleichen Stolz wie jedes Mal, wenn er eine richtige Diagnose gestellt hat. Er ist nachgerade begeistert von seinen „gewaltigen Kenntnissen“ und seinem nicht alltäglichen diagnostischen Riecher. Als Bulgakow dem Patienten mitteilt, dass er an der Syphilis leide, dieser „üblen Krankheit“, nimmt der Patient diese Nachricht mit Gleichmut auf. Als Arzt denkt Bulgakow sofort an die gravierenden Konsequenzen einer unbehandelten Syphilis für den Patienten selbst und an die Gefahr, die von ihm für die Familie ausgeht. Mit Engelszungen versucht er deshalb, den Patienten zu der damals üblichen Behandlung mit Quecksilbersalbe – die Ära der antimikrobiellen Therapie ist noch nicht angebrochen – zu motivieren. An der Reaktion des Mannes, der ihn stumm und „mit klappernden Wimpern“, anschaut und der nur seine Heiserkeit behandelt haben will, muss Bulgakow erkennen, dass sein „glänzender Monolog, für den jeder Professor dem Studenten im fünften Studienjahr eine Eins gegeben hätte“, ohne jede Wirkung ist. In langen, einsamen Herbstnächten studiert Bulgakow die Ambulanzbücher der vergangenen 5 Jahre. In den Aufzeichnungen seiner Vorgänger finden sich endlose Reihen von Patienten mit Syphilis (Lues), alle im zweiten und dritten Stadium