Herr Ober, da sind Bakterien im Wein!

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REPORT


Weinmikrobiom

Herr Ober, da sind Bakterien im Wein! ALENA M. BUBECK, W. FLORIAN FRICKE INSTITUT FÜR ERNÄHRUNGSWISSENSCHAFTEN, UNIVERSITÄT HOHENHEIM

„Ein gutes Glas Wein ist geeignet, den Verstand zu wecken.“ Mit dieser positiven Eigenschaft beschrieb Konrad Adenauer den Wein. In der Weinkultur steht vor allem der Genuss im Vordergrund: Besonders vielfältige Aromen und Geschmacksrichtungen werden hier geschätzt. DOI: 10.1007/s12268-020-1487-y © Springer Verlag GmbH 2020

ó Neben Boden-, Wetter- und Klimabedingungen [1] spielt die mikrobielle Fermentation des Traubenmosts eine wesentliche Rolle für die Farb- und Aromabildung, die in der Praxis durch das Zusetzen von Hefen und Milchsäurebakterien beeinflusst wird. Das Vorkommen anderer, vor allem bakterieller, Mikroorganismen und deren Auswirkungen auf den Wein blieben allerdings lange im Verborgenen. Erst die Entwicklung neuer, next generation-Sequenziertechnologien (NGS) in den letzten 20 Jahren ermöglichte es, die Komplexität und Diversität bakterieller Mikroorganismen im Wein – das Weinmikro biom – in seiner Gesamtheit abzubilden, ohne dabei auf die Isolation einzelner Bakterienkulturen angewiesen zu sein [2]. So zeigen Studien, dass sich regionale Unterschiede und Charakteristika des Weins, das „Terroir“, in der Zusammensetzung des Weinmikro bioms widerspiegeln [3]. Die identifizierten Bakterien und Pilze werden dabei pflanzlichen Quellen zugeschrieben, z. B. den Oberflächen der Weinrebe, aber auch dem Boden oder der Umgebung der Kellerei [4, 5]. Umwelteinflüsse, denen die Trauben im Weinberg und während der Weinherstellung ausgesetzt sind, scheinen die Zusammen setzung des Weinmikrobioms ebenfalls zu verändern [6]. Unterschiede zwischen Rot- und Weißweinen in Bezug auf das Mikrobiom wurden bisher interessanterweise kaum mit NGS-Methoden untersucht, trotz erheblicher Unterschiede in der Herstellung, insbesondere durch die Maischegärung, also die Vergärung von Rotweinen zusammen mit den gepressten Rückständen der Traube. BIOspektrum | 07.20 | 26. Jahrgang

Wir untersuchten kürzlich die qualitative und quantitative Zusammensetzung des bakteriellen Weinmikrobioms und verglichen verschiedene Rot- und Weißweine [7]. Wir analysierten den Most von sechs verschiedenen Chargen, darunter zwei Rot- und vier Weißweine, während der ersten Fermentationswoche. Durch die gleichzeitige Bestimmung der relativen Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft mittels Sequenzierung und der absoluten Bestimmung der bakteriellen Dichte mittels qPCR konnten wir Rückschlüsse auf die Gesamtmenge an Bakterien im Wein und deren Veränderung im Lauf der Gärung ziehen. Dabei wiesen wir über alle Chargen und Weinsorten hinweg komplexe und variable bakterielle Gemeinschaften nach.

Neben einer erhöhten Bakteriendichte und -vielfalt im Rotwein, die in der Weinherstellung aus der Praxis bekannt ist, liefert unsere Studie neue Erkenntnisse: Der verstärkte Einfluss der Traubenschalen auf Rotweine ließ sich durch erhöhte Anteile von Sequenzabschnitten, die aus pflanzlicher Chloroplasten-DNA stammten, nachw