Ist Fibromyalgie weiblich?
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M. Graninger
Ist Fibromyalgie weiblich? In der klinischen Diagnostik und im Managment darf Gender keine Einschränkung sein.
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Pathophysiologisch besteht bei der Fibromyalgie (FM) eine Veränderung der Verarbeitung von Schmerzimpulsen, die bis zu einer erhöhten Empfindlichkeit gegenüber psychosozialen Stressoren geht. Der Ausdruck „central sensitivity syndrome“ [2] weist auf die Vermutung einer zentralen Veränderung der Schmerzwahrnehmung hin [3-5] , wie sie in angedeuteter Analogie auch bei biologisch plausiblen Situationen, etwa bei durch Zytokine getriggerten Infektmyalgien oder nach stundenlanger Inaktivität bei Langstreckenflügen entsteht. Die Kombination der „unerklärlichen“ chronischen Schmerzen mit einer Vielzahl von „vegetativen“ und auch psychischen Befindlichkeitsstörungen führte oft zur Kategorisierung als psychogener Rheumatismus und zur Entstehung einer inneren Abwehrhaltung bei überwiegend organisch orientierten und in ihrer Betreuerrolle verunsicherten Ärzten.
Depressivität und Schmerzausmaß hängen mit dem „catastrophical thinking“ eng zusammen.
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4/2011
Frauen sind nicht wehleidiger als Männer Die Vielfältigkeit der mit dieser Krankheit gekoppelt auftretenden Symptome (siehe Tabelle) führt nicht nur zu einem hohen Leidensdruck der Betroffenen, sondern auch zur Notwendigkeit einer umfassenden Differentialdiagnose und damit verbundenem diagnostischen Aufwand mit der Gefahr einer neurotischen Symptomfixierung. Die Abwägung des Absicherungsbedürfnisses und der plausibel notwendigen Tests wurde durch die Leitlinie der Deutschen Rheumagesellschaft unterstützt [6]. Die tägliche Praxiserfahrung der AllgemeinmedizinerInnen ist es, dass sich wesentlich mehr Frauen mit generalisierten Schmerzen im Bewegungsapparat präsentieren als Männer [7]. Die Literatur zeigt, dass Frauen schon im Experiment eine reduzierte Toleranz bei Schmerzinduktion haben [8]. Dies rechtfertigt natürlich nicht den Gemeinplatz, dass Frauen „einfach wehleidiger“ als Männer seien. Es darf auch nicht übersehen werden, dass Fibromyalgiesyndrome auch bei Männern und außerhalb der „typischen“ Altersgruppen, nämlich auch bei Kindern [9;10] und bei betagten Personen zu diagnostizieren sind. In systematischen Untersuchungen wurden zwar keine geschlechtsbezogenen Differenzen in den Schmerzskalen gefunden, sehr wohl aber in den Strategien zur Krankheitsbewältigung und in den Hilfsbedürfnissen zum Umgang mit der Schmerzkrankheit [11;12]. Die Verknüpfung von Schmerzintensität mit dem Ausmaß der Depressivität und der Schlafstörung wurde nur bei Frauen als valid beschrieben [13]. Dr. Winfried Häuser vom Klinikum Saarbrücken publizierte eine Studie zum Geschlechtervergleich bei Fibromyalgie an 885 Frauen und 138 Männern. Neben der längeren Symptomdauer und der höheren Zahl an Schmerzpunkten fanden sich bezüglich vegetativer und depressiver Symptome keine Unterschiede zwischen diesen Gruppen. Somit wurde auf der Basis datengestützter wissenschaftlicher Untersuchung so manches gängige Klischee eines © Springer-Verlag
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