Darm und Gehirn

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REPORT


Oertel1 · R. Rupprecht2 1

Klinik und Poliklinik für Neurologie, Hertie Senior Forschungs-Professur, Philipps Universität Marburg, Marburg, Deutschland 2 Lehrstuhl für Psychiatrie und Psychotherapie, Bezirksklinikum Regensburg, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland

Darm und Gehirn Veränderungen des Dickdarmmikrobioms sind ein relativ neuer Forschungszweig in Neurologie und Psychiatrie. Bis vor Kurzem war es kaum vorstellbar, dass derartige Veränderungen einen Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf neurologischer und psychiatrischer Krankheitsbilder haben können. So war vor 10 bis 15 Jahren dieses Thema weder in der kurrikularen Lehre für Neurologie und Psychiatrie noch auf den großen nationalen oder internationalen Kongressen vertreten – und allenfalls in Spezialsymposien als Nischenthema präsent. Dies ist umso erstaunlicher, als seit der Antike sprichwörtlich bekannt ist, dass ein voller Magen das „Studieren“ beeinträchtigt. Mittlerweile gehört die Untersuchung der Interaktion zwischen dem gastrointestinalen Trakt, dem enterischen Nervensystem und dem zentralen Nervensystem zu den sich sehr schnell entwickelnden Forschungsgebieten. So zeigen präklinische und auch klinische Untersuchungen, dass im Zuge neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen Veränderungen des Mikrobioms auftreten, wobei noch unklar ist, inwieweit derartige Veränderungen mit ursächlich für diese Krankheitsbilder sind oder deren Folge. Andererseits kann auch gezielt durch Veränderungen des Mikrobioms, z. B. durch Probiotikagabe, Verhalten und Befinden und damit auch der Verlauf solcher Erkrankungen beeinflusst werden. Wir wissen seit Langem, dass das enterische Nervensystem sehr viele Nervenzellen enthält, möglicherweise mehr als im Großhirn und weit mehr als im autonomen und peripheren Nervensystem. Das Nervensystem im Darm ist durch eine einzige Zellschicht vom Inhalt des

Darmes – mit den Bestandteilen der Nahrung einschließlich der Genussstoffe und auch von Umweltgiften sowie Pharmaka – getrennt. Dies bedeutet, dass es keine effektive Schrankenfunktion zwischen Darm und enterischem Nervensystem gibt. Weiterhin ist der Darm eine zentrale Stelle für das Immunsystem. Die sensorischen Funktionen des Geschmacksempfindens und das zentrale Nervensystem mit seiner Regulation des Sättigungs- und Durstgefühls spielen in diese Interaktion zwischen Gehirn und Darmfunktion hinein. Noch komplizierter wird es, wenn man bedenkt, dass bei vielen Menschen mitGehirnerkrankungenaus dem neurologischen und psychiatrischen Formenkreis Komorbiditäten wie beispielsweise Diabetes mellitus bestehen.

Das enterische Nervensystem »enthält sehr viele Nervenzellen, möglicherweise mehr als im Großhirn Es ist unmöglich, all diese Aspekte in einem Themenheft über „Darm und Gehirn“ abzubilden. Wir haben uns daher entschlossen, auf eine umfassende differenzierte Darstellung z. B. der Methoden, die heute für das Studium des Mikrobioms eingesetzt werden, zu verzichten. Stattdessen haben wir für dieses Sonderheft