Digitale Medien und ihre Macher: Mediatisierung als dynamischer Wechselwirkungsprozess
In der aktuellen Mediatisierungsdiskussion werden Aspekte der kulturell geprägten Herstellung, d. h. der Entwicklungsprozesse von Medientechnologien durch Unternehmen bislang vernachlässigt. Am Beispiel der Entwicklung, Implementierung und fortlaufenden M
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Hinführung: Von den Nutzern zu den Machern digitaler Medien
„Vier Sheriffs zensieren die Welt“ (Hamann und Rohwetter 2012) titelte unlängst die Zeit. Die Autoren des Artikels beschreiben, wie die Internet-Konzerne Facebook, Apple, Google und Amazon durch groß angelegtes „Data Mining“, selektives Filtern von Informationen und das stillschweigende Löschen bestimmter Inhalte das doch ursprünglich „freie“ Internet „definieren“: „Teils aus eigenem Antrieb, teils von Regierungen dazu gezwungen, schaffen sie Fakten und setzen Regeln, die für alle gelten sollen.“ Diese Feststellung reiht sich ein in eine seit Jahren geführte öffentliche Debatte, deren Tenor darin besteht, dass sich die Einflussnahmen der Unternehmen einer ,digitalen Ökonomie’ auf die alltägliche Informationsbeschaffung im engeren und die Grundlage von Mediennutzung im weiteren Sinne drastisch ausweiten. Diesem auf die Macher neuer Medien gerichteten Diskussionszusammenhang steht eine in den Kommunikations- und Sozialwissenschaften vorherrschende Forschungsperspektive gegenüber, bei der das Augenmerk hauptsächlich auf der tagtäglichen Aneignung von Medien durch Nutzer liegt: Unter dem Klammerbegriff „Mediatisierung“ werden soziologische, medien- und kommunikationswissenschaftliche Forschungstätigkeiten zusammengeführt, die das komplexe Wechselspiel von Medienwandel (Medienverbreitung und Aneignung) und kultuT. Grenz () Karlsruhe Institute of Technology, Lehrstuhl für Soziologie des Wissens, 76128 Karlsruhe, Deutschland E-Mail: [email protected] T. Grenz, G. Möll (Hrsg.), Unter Mediatisierungsdruck, Medien · Kultur · Kommunikation, DOI 10.1007/978-3-658-03664-5_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
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T. Grenz
rellem Wandel untersuchen. Hier wird rekonstruierend und registrierend erforscht, wie Menschen in unterschiedlichen Alltagskontexten (neue) Medien nutzen, wie sich (Routine-)Wissen und Handeln, wie sich Erwartungen und Gewohnheiten sozusagen parallel mit dem Medienhandeln verändern und verfestigen. Die Erzeuger und weiteren Entstehungskontexte von Medien werden aufgrund dieser ,Stoßrichtung’ zugunsten einer intensiven Beschäftigung mit den Mediennutzern systematisch vernachlässigt. Als Werkzeuge alltäglicher Lebensgestaltung sind digitale Medien in zunehmendem Maße in eine Vielzahl von Handlungsroutinen eingelassen. Neben der verständigungsorientierten Individual- und Massenkommunikation ermöglichen sie unterschiedliche Weisen, mit denen Informationen gespeichert, bearbeitet, verteilt und dargestellt werden. Wenn die Rede davon ist, dass Medien in Routinen eingelassen sind, so nimmt dies eine Vorannahme in Anspruch: Dass nämlich „kommunikatives Handeln“ grundsätzlich einer wahrnehmbaren Wirkung in der materialen Umwelt (vgl. bereits Srubar 1988, S. 266; Knoblauch 1995) und damit letztlich körperlicher bzw. materialer Ausdrucksträger bedarf (vgl. Knoblauch 1995, 2011, 2013). Die Einflechtung von Technologie in Handeln, also der Prozess, der mit „Mediatisierung“ impliziert ist, führt folglich dazu, dass körperlich bewirkte Anzeichen in zuneh
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