Genese und Funktionen des Freiwilligen Wehrdienstes
Mit der Aussetzung der Wehrpflicht folgt Deutschland seinen europäischen Nachbarn und NATO-Verbündeten. Bis 2011 stellten bereits über 20 Länder in Europa ihre Wehrsysteme auf reine Freiwilligenarmeen um. So schafften die Niederlande die Wehrpflicht 1996
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Genese und Funktionen des Freiwilligen Wehrdienstes
Mit der Aussetzung der Wehrpflicht folgt Deutschland seinen europäischen Nachbarn und NATO-Verbündeten. Bis 2011 stellten bereits über 20 Länder in Europa ihre Wehrsysteme auf reine Freiwilligenarmeen um. So schafften die Niederlande die Wehrpflicht 1996 ab, Dänemark und Italien folgten 2005 und Schweden im Jahr 2012, um nur einige Beispiele zu nennen (Tresch und Leuprecht 2011b).10 In Deutschland wurde die Aussetzung der Wehrpflicht, maßgeblich forciert vom damaligen Verteidigungsminister, ohne Bürgerbeteiligung in rasantem Tempo beschlossen und umgesetzt, obwohl es auch hier zu Lande große Bedenken vor den möglicherweise weitreichenden Folgen dieser Zäsur gab und gibt. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière, der inzwischen das Amt von KarlTheodor zu Guttenberg übernommen hatte, fasste die Entscheidung am 24. März 2011, als der Deutsche Bundestag die Aussetzung der Wehrpflicht beschloss, vor den Abgeordneten zusammen: „Die Entscheidung, die Verpflichtung zum Grundwehrdienst auszusetzen, ist richtig, und sie ist nicht mehr infrage zu stellen. Eine Wehrpflichtarmee lässt sich erstens sicherheitspolitisch nicht mehr begründen, und sie ist zweitens militärisch auch nicht mehr erforderlich. Eine umfassende Wehrgerechtigkeit wäre auch drittens nicht mehr gewährleistet. Es gibt keinen Weg zurück. Ich sage das nicht mit Freude. Denn die Aussetzung der Wehrpflicht heute ist kein Freudenakt. Es ist eine notwendige, aber mich nicht fröhlich stimmende Entscheidung“ (Deutscher Bundestag 2011: 11343).
In dem Zitat klingen Bedenken um die Konsequenzen dieses Schrittes an. Obwohl die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen als zwingend und gegeben dargestellt werden,11 schwingt ein deutliches Unbehagen in de Maizières Aus10
11
Eine Ausnahme bildet Österreich, das allerdings kein NATO-Mitglied und kaum an Auslandseinsätze beteiligt ist: Hier sprach sich in einer Volksbefragung im Januar 2013 eine Mehrheit gegen die Abschaffung der Wehrpflicht aus. Umfragen belegen allerdings, dass die Gesellschaft die Folgen des damit verbundenen Wegfalls des Zivildienstes befürchtete (Perlot und Zandonella 2013: 16). Es wurde also nach Pelinka (2013) „nicht über die Folgen diskutiert, die aus den veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen zu ziehen wären, sondern darüber, ob und wie schnell und unter welchen Voraussetzungen der Rettungswagen kommt.“ An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Begriff der Sicherheit beziehungsweise der Bedrohungen nach der Kopenhagener Schule um Ole Wæver, Barry Buzan und Jaap de Wilde auf gesellschaftlich konstruierte Konzepte verweist. Gefahren entstünden durch einen bloßen „speech act“ (Buzan et al. 1998). Ein Bedrohungsszenario wird demnach durch einen diskursiven Akt zwischen Politik und Gesellschaft etabliert. Wæver führt diesen Entstehungsprozess weiter aus: „To register the act of something being securitised, the task is not to assess some objective threats that ‚really’ endanger some object, rather it is to understand the processes of constru
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