Grenzen operativer Eingriffe

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REPORT


Alles was Recht ist

Grenzen operativer Eingriffe Patientenwünsche dürfen, gerade im ästhetischen Bereich, trotz aller Patientenautonomie nicht immer unkritisch erfüllt werden.

E

ine Patientin nahm ihren Operateur wegen fehlerhafter Behandlung und unzureichender Aufklärung in Anspruch. Sie litt unter einer von ihm nicht erkannten körperdysmorphen Symptomatik mit Hang zur Autoaggression, weshalb sie sich schon als Jugendliche „ritzte“ und eine Vielzahl teils entstellender Narben aufwies. Sie hatte sich bereits mehrfach Narbenkorrekturen unterzogen und war in psychotherapeutischer Behandlung. 2008 ließ sie nun eine streitgegenständliche Schlupflidkorrektur vornehmen, die laut Beklagtem nur durch Straffung der Stirnhaut erfolgen konnte. Es erfolgte ein „offener Stirnlift“, bei dem auch Zornesfalten beseitigt wurden. Im Rahmen der Aufklärung war die Frage „Neigen Sie zu überschießender Narbenbildung (Keloide)?“ mit „ja“ beantwortet worden. Der Eingriff hinterließ eine sichtbare, im Haaransatz befindliche, haarlose Narbe, die die Klägerin zu zwei weiteren Korrekturoperationen veranlasste, bei der auch Haarwurzeln transplantiert wurden.

So sah das Gericht den Fall Nachdem die Klage in Vorinstanzen erfolglos blieb, gab der Bundesgerichtshof (BGH, Beschl. v. 15.12.2015, VI ZR 557/15) einer Nichtzulassungsbeschwerde statt und verwies die Sache zumindest zur erneuten Prüfung und Entscheidung ans Kammergericht zurück, das bei seiner Argumentation, der Beklagte sei trotz Befunderhebungsfehler nicht haftbar, den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt habe. Es sei nicht ausgeschlossen, dass es aber bei gebotener Beachtung und Prüfung des vollständigen Klagevortrags vielleicht doch anders urteilen könnte.

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Das Kammergericht war zwar der Ansicht, dass der Beklagte eine Abklärung bei Verdacht auf psychische Störung unterlassen habe, indem er dem Hinweis „überschießende Narbenbildung“ hätte nachgehen und die Patientin „psychiatrisch explorieren“ müssen. Diese, gegebenenfalls gar grob fahrlässige, Unterlassung habe sich aber nicht ausgewirkt, da dem Kammergericht ausgeschlossen schien, dass der Arzt selbst dann von der Operation hätte absehen müssen. Die Störung („body dismorphic disorder“, BDD) sei nur eine bedingte Kontraindikation bei einer dann ärztlich eröffneten Ermessensentscheidung. Ästhetische Chirurgie könne bei milden Formen von BDD zudem eine sinnvolle Option sein und eine schwere Störung habe der Gerichtssachverständige nicht positiv festgestellt. Die Klägerin beanstandete hingegen, dass das Kammergericht dabei ohne nähere Prüfung das mit der Klage vorgelegte Gutachten der Schlichtungsstelle zu Arzthaftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammern übergangen habe. In diesem wurde im Gegensatz ausgeführt, dass sich eigentlich schon einem Laien ein tieferliegendes psychisches Problem hätte offenbaren können, das statt einer Operation erst abzuklären gewesen wäre. Dieser Widerspruch unter Gutachten ist auch rechtlich zu klären. Denn der Tatrichter ist verpflichtet, den ih