Kann Jungenarbeit queer sein?
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Kann Jungenarbeit queer sein? Überlegungen zu einer heteronormativitätskritischen Pädagogik mit Jungen Wenn eine größere Gruppe Menschen das Bild eines Jungen zeichnen und sich eine Geschichte zu diesem ausdenken sollte, welche Jungenbilder würden entstehen? Wäre ein gehörloser Junge dabei? Ein als weiß und herkunftsdeutsch beschriebener Junge? Ein Junge, der seiner Schwester etwas zu essen macht? Der Sohn einer Hure? Ein Klimaaktivist? Wäre ein Junge dabei, der bei Geburt als weiblich eingeordnet wurde? Wäre eine Jugendliche dabei, die als Mädchen leben und anerkannt werden will, aber von allen als Junge wahrgenommen wird – und sollte sie überhaupt dabei sein? Wie alt darf – oder muss – man eigentlich sein, um als Junge gelten zu können?
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iese und andere Gedanken ergeben sich, wenn man Jungenarbeit mit einer queeren Perspektive denkt. In den Blickpunkt geraten dann normative Begrenzungen und Ausschlüsse im Umgang mit Jungen ebenso wie Momente der Freude und Verbundenheit jenseits hegemonialer Männlichkeit. Jungenarbeit kann daher queer als Inspiration nehmen, um mit Jungen in Kontakt zu kommen.
Begriffserkundung Queer war lange Zeit ein Schimpfwort im englischsprachigen Raum für Personen, die bürgerlichen Normen von Geschlecht, Sexualität und Lebensweise nicht entsprachen – insbesondere Schwule, Lesben und trans* Personen. Doch diese haben sich den gegen sie gerich-
Thomas Viola Rieske Europa-Universität Flensburg, Flensburg, Deutschland *1980, Dr., Diplom-Psychologe, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Schulpädagogik an der Europa-Universität Flensburg. [email protected]
Zusammenfassung Das Konzept queer steht für die Kritik geschlechts- und sexualitätsbezogener Normen, sofern diese gesellschaftliche Marginalisierungen begründen. Für die geschlechterreflektierte Pädagogik mit Jungen – kurz: Jungenarbeit – bietet es eine Reflexionsperspektive, mit der Annahmen über Jungen hinterfragt werden können. Sie stärkt Jungenarbeit darin, sich an den vielfältigen Bedürfnissen und Problemlagen von Jungen zu orientieren und dabei Jungen wie auch Pädagog_innen von unnötigen normativen Erwartungen zu entlasten.
Schlüsselwörter Jungenarbeit, Queer, Heteronormativität, Männlichkeit
teten Begriff angeeignet und daraus Kraft gezogen. So wurde Queer in den 1980ern in den USA zu einer Selbstbezeichnung derjenigen, deren Lebensweise im Widerspruch zu einer normativen Regulierung und hierarchischen Ordnung von Menschen und ihren Beziehungen zu sich und anderen standen. Im damaligen Kontext der AIDS-Krise, des Aufstiegs der religiösen Rechten und des neoliberalen Umbaus des Sozialstaats skandalisierten queere Aktivist_innen die gewaltvollen Ausschlüsse derer, die nicht in die Ideale einer eindeutigen Geschlechtsidentität, einer heterosexuellen Orientierung, einer ‚sauberen‘ Sexualität und einer ‚anständigen‘ Lebensweise passten. Solche Ideale legitimierten die Diskriminierung und Marginalisierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und trans* Personen ebenso wie von alleinerziehenden Müttern oder Sexa
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