Einer muss der Loser sein
Schule ist nicht nur der nahezu wichtigste Ort der Organisation institutionalisierter Bildungsprozesse, sondern gleichzeitig zentrale Sozialisationsinstanz für die Heranwachsenden der Moderne. Hier finden sie ihre Freunde – und ihre Feinde (zu peers vgl.
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Einführung
Schule ist nicht nur der nahezu wichtigste Ort der Organisation institutionalisierter Bildungsprozesse, sondern gleichzeitig zentrale Sozialisationsinstanz für die Heranwachsenden der Moderne. Hier finden sie ihre Freunde – und ihre Feinde (zu peers vgl. Hurrelmann 2005). Zinnecker (1978) zufolge ist insbesondere der Schulhof moderner Ersatz für die verlorene Straßenkindheit, eine Öffentlichkeit von besonderer sozialisatorischer Bedeutung. Wegen der Pfl icht, die Schule besuchen zu müssen, und wegen des institutionalisierten Zwanges zur Gruppenbildung in Form altershomogener Schulklassen kann man mit Ulich von einer Zwangsgruppierung sprechen (2001, S. 51). Täglich, bis auf die Ferien, müssen sich alle Heranwachsenden an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit einfinden, um dort (in Deutschland) den Vormittag (z. T. auch länger) in einer bestimmten Gruppe Gleichaltriger zu verbringen. Viele Heranwachsende finden in der Schule Freunde und erleben dort die ersten Dramen des Lebens. Autobiographische Retrospektiven sind voll davon. Das Leben in der Schule ist eine der zentralen Lebensweisen der Kinder zwischen 6 und 20 Jahren. Die Biographien der Heranwachsenden werden maßgeblich davon beeinflusst: Alle müssen dorthin und dadurch, Alternativen sind nicht vorgesehen. Die normierten Handlungsroutinen des Unterrichts lassen individuellen Bedürfnissen wenig Raum. Anders die Pausen Im Kontrast zu den strikt normierten Aktionsformen, die im Unterricht gestattet sind, werden sie in der Regel als Freiheit und Freiraum erlebt: „Der Schulhof ist der Ort in der Schulzeit, an dem soziale Kontakte gehegt und gepflegt werden. Er ist der Ort, an dem soziale Kompetenzen ins Positive wie ins Negative verstärkt werden. Im sozialen Umfeld, also im Kreise meiner J. Bilstein et al. (Hrsg.), Bildung und Gewalt, DOI 10.1007/978-3-658-10810-6_15, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016
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Dorle Klika
Mitschüler und Lehrer, lernte ich maßgebliche soziale Umgangsformen. Viele Grundlagen für meine weitere Entwicklung wurden auf dem Schulhof gelegt“, so die biographisch bilanzierende Reflexion einer Erinnerung an den Schulhof. Nahezu philospophisch mutet eine andere Conclusio an: „Der Schulhof ist ein großer Interaktionsraum, in dem man auch viel über das Leben an sich lernt. Im positiven wie auch im negativen Sinne“ (Herv. DK). Das Leben „an sich“ findet in den Pausen statt, eher wildwuchsartig und pädagogisch kaum begleitet. Dazu zählen u. a. Erfahrungen von Gruppenzwängen und Gewalt. Davon soll im Folgenden die Rede sein. Gewalt zu thematisieren, ist jedoch ein „heißes Pflaster“. Was jeweils als Gewalt thematisiert wird, unterliegt nicht nur historisch-kulturellen gesellschaftlichen Wandlungen. Im gesellschaftlichen Diskurs wird der Begriff nicht selten strategisch verwendet und kann der Skandalierung bestimmter Sachverhalte dienen (Tillmann et al. 1999, S. 28). Hier geht es weder um Dramatisierungen noch um voreilige Schlussfolgerungen für die Praxis. Im Zentrum der Reflexion stehen biographische Erinnerungen von junge
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