Stephan Hein (2009):Konturen des Rationalen. Zu einem Grundmotiv im Theoriewerk von Talcott Parsons
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tephan Hein (2009): Konturen des Rationalen. Zu einem Grundmotiv im Theoriewerk von Talcott Parsons Konstanz: UVK. 228 Seiten, € 29,– Roland Braun
Über Parsons spricht man nicht mehr – und wenn ausnahmsweise doch, dann in der Form bewährter Vorurteile wie bspw. dem vom „over-socialized man“ (Dennis H. Wrong), dessen Verhalten Parsons zufolge angeblich von systemisch wirkenden Normen gesteuert sein soll. Dass es auch anders geht, zeigt dagegen die Dissertation des Dresdener Soziologen Stephan Hein. Hein holt den Bewertungsmaßstab, anhand dessen die Parsons’sche Theorie ausgelegt wird, nicht aus subjekt-, system- oder handlungstheoretisch ausgeflaggten Diskussionssträngen, sondern einzig und allein aus dieser selbst. Was sich auf den ersten Blick wie eine Immunisierungsstrategie i. S. Popper’scher „Geschlossenheit“ gegen unliebsame Einwände wie die eingangs erwähnten ausnimmt, entpuppt sich als die Aufdeckung einer implizit oder latent zu nennenden Prämisse allen Soziologisierens: Der Soziologe steht nicht außerhalb seines Untersuchungsgegenstandes, sondern mittendrin. Jede soziologische Beobachtung ist eine Selbstbeobachtung der Gesellschaft: „Die Frage nach den konstitutiven Strukturen einer Gesellschaft ist somit zugleich die Frage nach der Struktur, in der sich diese Selbstbeobachtung vollzieht (. . .)“ (S. 115). Hein nennt dieses spezifische Procedere der plausiblen Transformation von Beobachtungsresultaten in Beobachtungsbedingungen „Selbstimplikation“ (S. 23–26, 115). Er weist nach, dass Parsons mit seinem Projekt alles andere als allein stand. Insbesondere Parsons’ häufige Zusammenarbeit mit und Bezugnahme auf die namhaften amerikanischen Anthropologen und Ethnologen seiner Zeit (u. a. C. Kluckhohn, A. L. Kroeber) kann auf ein gemeinsames Grundmotiv durchsichtig gemacht werden, auf den Umstand, dass der Ethnologe seine wissenschaftliche Rationalität nicht fertig bereitliegen hat, bevor er sich ins ethnografische Feld begibt, sondern keine andere Chance besitzt als die, dieses Wissen in alltäglicher Interaktion mit seinen Informanten nach und nach zu erlernen, m. a. W. sich
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einer Interaktion, die niemals stillsteht, auszusetzen (S. 82). Da der Ethnografie vergleichbare Arten des Wissenserwerbs auch für Ressorts der modernen Gesellschaft wie z. B. die Arzt-Patient- (85) oder Analytiker-Analysand-Beziehung (S. 86–87, 100–101) nachgewiesen werden können, verlegt Parsons diese Situation unter dem Titel „Doppelte Kontingenz“ zugleich in die Methode wie in den Gegenstandsbereich seiner Soziologie. Die Welt bietet sich für Parsons in vierfacher Hinsicht dar: als Verhaltens-, Persönlichkeits-, Sozial- und Kultursystem. Für jedes dieser Systeme können „Indifferenzpunkte“ herausgeschält werden, die Möglichkeitsüberschüsse eröffnen, vergleichbar und kombinierbar machen und gleichzeitig begrenzen. Für das soziale System liegt eine Ununterscheidbarkeit in „der Einheit der Differenz von Aktor
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