Syphilis 2020 - die Infektionszahlen steigen stetig

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REPORT


Keine reine Männerkrankheit

Syphilis 2020 – die Infektionszahlen steigen stetig Heinrich Rasokat

Seit vielen Jahren nehmen die sexuell übertragbaren Infektionen weltweit zu. Dazu gehört auch die Syphilis. In Deutschland findet weiterhin ein ungebremster Anstieg der Syphilis-Neuinfektionen statt, von dem auch Frauen betroffen sind.

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Sexuell übertragbare Erkrankungen

©© Blaustein’s Pathology of the Female Genital Tract, Springer 2019

ie Syphilis entspicht einer Infektion mit Treponema ­pallidum. Der klinische Verlauf der Erkrankung wird eingeteilt in die Frühsyphilis und die Spätsyphilis (Tab. 1). Die Frühsyphilis (bis ein Jahr nach Infektion) umfasst die primäre S­ yphilis (Lues I), in der die Krankheitsmanifesta­tionen auf den Ort der Erregerinokulation beschränkt bleiben, und die sekundäre Syphilis (Lues II) mit generalisierten Krankheitserscheinungen.

Condyloma lata: multiple Papeln an der Vulva einer Frau mit ­Sekundärsyphilis (Lues II)

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HIV und AIDS haben ihren Schrecken verloren. Die modernen HIV-Therapeutika sind bei guter Verträglichkeit hoch wirksam, sodass Betroffene bei weitgehend uneingeschränkter ­Lebensqualität mit einer annähernd normalen Lebenserwartung rechnen dürfen. Gleichzeitig ist unter diesen Therapien trotz Fortbestehens der HIV-Infektion die Infektiosität de ­facto aufgehoben [1]. Zusätzlich können sich Menschen mit eigenem HIV-Infektionsrisiko durch die kontinuierliche oder anlassbezogene Einnahme HIV-wirksamer Medikamente (Präexpositionsprophylaxe; PrEP) zuverlässig vor Ansteckung schützen. In der Konsequenz erleben vor allem Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), eine lang ersehnte Befreiung vom Kondomzwang und damit eine sexuelle Revolution, die der mit Einführung der Antibabypille verbundenen durchaus vergleichbar ist. Dabei wird nur zu gerne die Tatsache verdrängt, dass die HIVPrEP, anders als der Gebrauch von Kondomen, keinerlei Schutz vor anderen – vor allem bakteriellen – sexuell übertragenen Infektionen (STI) bietet. Abb. 1 zeigt, dass sich seit nunmehr zehn Jahren eine Schere zwischen HIV- und Syphilis-Neuinfektionen immer weiter öffnet. Diese Befunde erinnern an das Phänomen der sogenannten Risikokompensation [3]. In der deutschen MSM-ScreeningStudie verwendeten lediglich 10 % der HIV-negativen PrEP-­ Gebraucher Kondome [4]. Es zeigte sich, dass nach einem halben Jahr bei gut 40 % der Teilnehmer mindestens eine bakterielle STI auftrat [5]. Die identifizierbaren Risikodeterminanten waren neben dem Kondomverzicht (Relatives Risiko [RR]: 2,09; 95 %-Konfidenzintervall [KI]: 1,58–2,76) erhöhte Promiskuität (Sexualpartnerzahl > 5; RR: 1,56; 95 %-KI: 1,25–1,96) und der Gebrauch von Partydrogen wie Chrystal Meth, Speed, Kokain, Ecstasy, Gamma-Butyrolacton/Gammahydroxybuttersäure (GBL/GHB, bekannt als K.o.-Tropfen) oder Badesalze/Spice (RR: 1,62; 95 %-KI: 1,30–2,01) [5]. Eine australische PrEP-Studie [6] mit 2.892 MSM fand 2016/2018 eine STI-Inzidenz von 91,9 auf 100 Patientenjahre. Die Keime, die übertragen wurden, waren Chlamydia trachomatis (CT), Neisseria gonorrhoeae (NG