Zynismus als Prinzip des Regierens

Was soll, was kann man zu Ehren von Hubert Heinelt über Regieren und „Governance“ schreiben? Wenige deutsche Politikwissenschaftler haben das so sehr zu ihrem Thema gemacht wie er; was könnte man da Neues bieten? Ich möchte auf diesem Gebiet lieber nicht

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REPORT


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Persönliche Vorbemerkung

Was soll, was kann man zu Ehren von Hubert Heinelt über Regieren und „Governance“ schreiben ? Wenige deutsche Politikwissenschaftler haben das so sehr zu ihrem Thema gemacht wie er; was könnte man da Neues bieten ? Ich möchte auf diesem Gebiet lieber nicht in Konkurrenz mit ihm treten. Mein Thema war eher das der Demokratie, und aus der intensiven Beschäftigung mit dem, was demokratisch ist, erwächst die entscheidende Differenz zwischen meinem und Hubert Heinelts Denken. Während er in vielen Publikationen nach Wegen sucht, das Regieren „jenseits des Staates“ partizipativ anzureichern und ihm damit eine gewisse Demokratiequalität zu sichern (z. B. Heinelt 2008), bin ich zu dem Schluss gelangt, dass das nur Zierrat, nur Dekoration sein kann: Die ‚Postdemokratie‘ ist keine Demokratie mehr. Nun möge man aber nicht erwarten, dass ich mit diesem Beitrag eine auf akribischem Studium der neuesten Literatur basierende Analyse der Postdemokratie liefern werde. Vielmehr nehme ich das Privileg des Ruheständlers in Anspruch, nicht wie der Nachwuchswissenschaftler jeden Gedankengang belegen zu müssen, sondern der essayistischen Form den Vorzug geben zu können, also frischweg vom Leder zu ziehen. Eben darum habe ich den ursprünglich vorgesehenen Titel ‚Governance und Postdemokratie‘ umgeändert in ‚Zynismus als Prinzip des Regierens‘. Das verweist zugleich auf etwas, was mich mit dem Freund und Kollegen Hubert Heinelt eng verbindet. Der Kyniker ist, geht man vom Wortstamm aus, so etwas wie der Hundemensch. Und das sind wir beide: Hundemenschen, die ohne ihre vierbeinigen Gefährten nicht sein mögen. Wahrscheinlich sind wir mindestens deswegen keine Zyniker.

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Zu den Begriffen

Zynismus Unter Zynismus verstehen wir heutzutage nicht mehr das ‚hündische Leben‘, für das bei den alten Griechen Diogenes stand. Wenn er und seine Philosophen-Kollegen denn überhaupt ein Ideal hatten, so war es das der Bedürfnislosigkeit, und das ist es wohl am allerwenigsten, was den heutigen Zyniker kennzeichnet. Was hingegen antike und moderne Zyniker verbindet, ist das Nicht-Verhältnis zu Werten, Ethik und Moral. Die

B. Egner et al. (Hrsg.), Regieren, DOI 10.1007/978-3-531-19793-7_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012

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Heidrun Abromeit

Welt, egal wie ihr Zustand, wird ‚zynisch‘ als gegeben hingenommen1; man erkennt ihre Missstände, Schwächen, Schattenseiten (was einen gewissen Intelligenzgrad voraussetzt) und geht witzelnd darüber hinweg – aber durchaus nicht als Bedürfnisloser, sondern als von den Missständen Profitierender. Der reine Nutzenmaximierer, der spätestens seit der Neoklassik die Volkswirtschaftslehre dominiert, ist insofern tendenziell ein Zyniker: Wie Diogenes in seiner Tonne richtet er sich in der schlechtesten aller Welten ein, versucht aber, aus ihr den maximalen Nutzen zu ziehen. Was im Zweifelsfall impliziert, dass die Welt dadurch (wenn möglich) noch schlechter wird. Governance Die Governance-Debatte setzte in den 90er Jahren ein, war aber im Grunde nicht ne