Der Beitrag von Schule und Lehrern zur Reproduktion von Bildungsungleichheit

Bedeutsame Unterschiede in der Bildungsteilhabe und im schulischen Erfolg bestehen im deutschen Bildungssystem in Abhängigkeit vom Geschlecht, der Nationalität und der sozialen Herkunft. Die Differenzen bezüglich der sozialen Herkunft sind im internationa

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REPORT


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Einleitung

Bedeutsame Unterschiede in der Bildungsteilhabe und im schulischen Erfolg bestehen im deutschen Bildungssystem in Abhängigkeit vom Geschlecht, der Natio­ nalität und der sozialen Herkunft. Die Differenzen bezüglich der sozialen Herkunft sind im internationalen Vergleich in Deutschland außergewöhnlich stark ausgeprägt (Baumert et al. 2000). Auch die regionalen Disparitäten in Deutschland sind beträchtlich, sowohl hinsichtlich der allgemeinen Lebensqualität bzw. der Versorgung mit Infrastruktureinrichtungen (Korczak 1995) als auch bezüglich des Bildungsangebots und der Bildungsnachfrage (Bargel und Kuthe 1992; Institut für Länderkunde 2002). Wie die deutsche Zusatzstudie zu PISA (PISA-E) nachweist, bestehen zudem erhebliche Differenzen im erreichten Leistungsniveau zwischen den Bundesländern (Baumert et al. 2002; Baumert et al. 2003a). Übereinstimmend belegen die vorliegenden Daten damit eine gravierende Ungleichheit der erreichten Bildungsergebnisse zwischen sozialen Gruppen und Regionen (Ditton 2004). Ungleiche Bildungsergebnisse müssen jedoch nicht unbedingt und in jedem Fall auch ungerecht oder ungerechtfertigt sein. Sofern man aber nicht biologische oder naturgegebene Ursachen unterstellen will, bedürfen Formen der Ungleichheit in sich demokratisch verstehenden Gesellschaften einer Rechtfertigung, z. B. durch nachweisliche Unterschiede in den erbrachten Leistungen, die zu unterschiedlichem Bildungserfolg führen können. Weit weniger strittig als die Forderung nach Ergebnisgleichheit ist die Forderung nach Chan­ cengleichheit, die sich auf die Aussichten bezieht, in begehrte soziale Positionen gelangen und die mit ihnen verbundenen Güter oder Privilegien erwerben zu können (Koller 1995). Auch das Gebot der Chancengleichheit gilt nicht uneingeschränkt, sondern wiederum nur insoweit, als nicht allgemein annehmbare Gründe eine ungleiche Verteilung von Chancen rechtfertigen. Soziale Positionen © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 R. Becker und W. Lauterbach (Hrsg.), Bildung als Privileg, DOI 10.1007/978-3-658-11952-2_9

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Hartmut Ditton

müssen zwar grundsätzlich allen Bürgern offenstehen, und alle müssen gleiche Chancen haben, in diese Positionen zu gelangen, allerdings nur insofern, als sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen und entsprechende Leistungen tatsächlich auch erbringen (Koller 1995: 62). Bezüglich der Verteilung von Bildungsgütern bzw. des Erwerbs von Bildungstiteln führt dies zu einer Fülle schwieriger Probleme und strittiger Fragen, z. B. nach der Art und erforderlichen Höhe der Leistungen, deren objektiver Feststellung und Bewertung sowie nicht zuletzt nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung zu Bildungsgängen und danach, wer diese Entscheidung auf welcher Grundlage letztlich zu treffen hat. Die Regelung des Zugangs zu begehrten und knappen sozialen Positionen sollte in einer demokratischen Gesellschaft nach Leistung, Können und Anstrengung, d. h. nach nachvollziehbaren und gesellschaftlich akzeptierten bzw. allgemein als gerecht empfundenen Kriterien, erfol