Der Brexit zwischen britischem Autonomiestreben und Handelsgewinnen

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REPORT


DOI: 10.1007/s10273-020-2781-5

Hans-Bernd Schäfer, Jörn Axel Kämmerer

Der Brexit zwischen britischem Autonomiestreben und Handelsgewinnen In den Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich um ihre künftigen Rechts- und Wirtschaftsbeziehungen geht es nicht nur um ökonomische Vorteile, sondern auch um die Vereinbarkeit von Rechtskulturen. Die Brexiteers verteidigen britisches Recht und den britischen Parlamentarismus gegen eine nicht nur bei der Rechtsetzung, sondern auch bei der Rechtsprechung integrationistische überstaatliche Entwicklung. Die britische Regierung lehnt für die Zukunft jegliche Rolle des Europäischen Gerichtshofs für die Gestaltung der Beziehungen mit der EU ab. Dies begrenzt die Möglichkeiten, ökonomische Vorteile zu verwirklichen. In England ist die Vorstellung eines „global Britain“ verbreitet. Vollständige Autonomie mit Handelsschranken gegenüber der EU werde Großbritannien1 neue Möglichkeiten eröffnen, höhere Gewinne aus einem liberaleren Handel mit dem Rest der Welt zu erzielen (Fox, 2018). Gestützt wird dies allerdings durch keine einzige ernstzunehmende wirtschaftswissenschaftliche Studie. Der ideelle Vorteil größerer Autonomie gegenüber der EU wird mit wirtschaftlichen Nachteilen erkauft. Carrère et al. (2020) haben die wirtschaftswissenschaftliche Literatur über die Auswirkungen des Brexit auf die britische Wirtschaft gesichtet und ihre eigenen Prognosen unter der Bezeichnung „die drei ehernen Geset-

© Der/die Autor(en) 2020. Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https:// creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht. Open Access wird durch die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft gefördert. 1

Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung steht die Bezeichnung „Großbritannien“ im Folgenden für das gesamte Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland.

Prof. em. Dr. Hans-Bernd Schäfer war Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und ist affiliate Professor für „Law and Economics“ an der Bucerius Law School. Prof. Dr. Jörn Axel Kämmerer ist Professor für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht an der Bucerius Law School in Hamburg.

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ze des Brexit“ präsentiert: Erstens geht jedes denkbare Brexit-Szenario, auch das weiche, mit Verlusten für die britische Wirtschaft einher. Zweitens: Je härter der Brexit, desto höher sind die Verluste des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Allerdings würde, so das dritte Gesetz, selbst der härteste denkbare, der „No Deal“-Brexit, der britischen Wirtschaft keine desaströsen, wenn auch hohe Verluste zufügen. Apokalyptische Situationen sind also laut dieser Studie nicht zu erwarten, wobei sie das Zusammentreffen scheiternder Verhandlungen mit einem von einem anderen disruptiven Ereignis – dem der Corona-Krise – ausgelösten Wirtschaftseinbruch nicht im Blick haben konnte. Auf das Konto des Brexit allein würden jedenfalls BIP-Gesamtverluste gehen, die im Falle eines ausgehandelten Brexit mit Freihandel zwischen Groß