Die Eidgenossen als Lykier

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REPORT


Die Eidgenossen als Lykier Bachofens Mutterrecht und Schillers Wilhelm Tell Yahya Elsaghe

Online publiziert: 19. August 2020 © Der/die Autor(en) 2020

Zusammenfassung Wie verhielt sich Johann Jakob Bachofen, der unablässig den Wahrheitsgehalt klassischer oder auch wildfremder Mythen zu rehabilitieren versuchte, zur Gründungssage seines eigenen Lands? Wie zu den immer lauter gewordenen Zweifeln an ihrem Sachgehalt? Und sieht man seinem Hauptwerk an, dass es einer geschrieben hat, der zumal von ihrer Schiller’schen Aufbereitung geprägt sein musste? Oder in welcher Beziehung steht seine Theorie vom einstigen Mutterrecht des antiken Kulturraums zu den Vorstellungen, die Schiller sich und der Nachwelt von den alten Schweizern und Schweizerinnen machte? Die notgedrungen nur noch spekulative Antwort auf diese letzte Frage wirft immerhin ein Licht auf die Geschlechterverhältnisse in Schillers Wilhelm Tell und dessen wichtigster Quelle, die auch Bachofen nachweislich bekannt war.

The Swiss as Lycians Bachofen’s Mother Right and Schiller’s William Tell Abstract How did Johann Jakob Bachofen, who constantly tried to rehabilitate the truth of classical or even entirely alien myths, react to the legend of his own country’s founding and to the ever growing doubts about its substance? And does one see in his main work that it was written by someone who must have been influenced by Schiller’s treatment of this legend? Or how does his theory of the former mother right of the ancient cultural realm relate to the ideas that Schiller developed for himself and posterity about the old Switzerland’s brothers – and sisters? The necessarily only speculative answer to this last question nevertheless sheds light on the gender relations in Schiller’s William Tell and his most important source, which demonstrably was also known to Bachofen. Y. Elsaghe () Institut für Germanistik, Universität Bern, Länggass-Str. 49, 3012 Bern, Schweiz E-Mail: [email protected]

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Y. Elsaghe

I. Das für die Schweiz wichtigste Stück der Weltliteratur ist bekanntlich der Wilhelm Tell eines Schwaben. Das für die Welt wichtigste Buch eines Schweizers dagegen – denn zu Jean-Jacques Rousseaus Zeit war Genf ja der Eidgenossenschaft noch nicht beigetreten – hat ein anderer Jean Jacques oder doch einer geschrieben, den die Seinen pro domo bei dieser gallisierten Form seines Namens zu nennen pflegten: Johann Jakob Bachofen, Das Mutterrecht. Eine Untersuchung über die Gynaikokratie der alten Welt nach ihrer religiösen und rechtlichen Natur. Bachofens Mutterrecht bildet den Beginn einer diskursgeschichtlichen Entwicklung, die über die angelsächsische Ethnologie zu Karl Marx, Friedrich Engels und August Bebel führt, von dort aus zum modernen Feminismus1 (mit einer allerdings älteren Vorgeschichte2) und weiter in die postmoderne Gendertheorie, samt den politischen Postulaten, die aus ihr ableitbar sind und mit denen wir uns nach wie vor schwertun, we too. Zu fragen gilt es nun einmal, wie sich dieses für die Welt so wichtige Buch aus der Schweiz zu jenem für di