Die vielen Gesichter des Escherichia coli

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REPORT


Urinmikrobiologie in der Praxis – Teil 38

Die vielen Gesichter des Escherichia coli Ivo Beyaert

Über die Jahre haben wir schon viele Artikel über die Urinmikrobiologie und ihre Vertreter geschrieben, sträflicherweise aber noch überhaupt keinen über den wichtigsten Vertreter der Urinkeime – Escherichia coli. Dies möchten wir hiermit endlich nachholen.

E

scherichia (E.) coli wurde im Jahr 1885 von Theodor Escherich ent­ deckt, er nannte das Bakterium Bacterium coli commune. Erst 1919 taufte man den Keim dann zu Ehren seines Entdeckers in Escherichia coli um. Theodor Escherich stand in der Tradition von Robert Koch und benutz­ te bereits sehr fortschrittliche mikro­ biologische Methoden. Er beschrieb das Bakterium sehr ausführlich und widmete ihm und der Entstehung der Darmflora sogar ein eigenes Buch („The intestinal bacteria of the neonate and infant“). Bei E. coli handelt es sich um ein klas­ sisches gramnegatives Stäbchenbakte­ rium, von circa 1–3 µm Länge. Es ist peri­t rich, also gleichmäßig rundherum begeißelt und daher gut beweglich (was man auch auf den Platten an der „Blütenform“ der Kolonien sehen kann). E. coli lebt im Darm von Mensch und Tier, kann aber auch in anderen Lebens­ räumen gedeihen. Er ist der bekanntes­ te Vertreter der Enterobakteriazeen, der großen Familie der Darmbakterien. In der Urologie ist E. coli als der wichtigs­ te Erreger von Harnwegsinfektionen bekannt.

Die Fähigkeiten von E. coli E. coli ist sozusagen der Prototyp der gramnegativen Stäbchen. Das Bakteri­ um hat einige bemerkenswerte Fähig­ keiten: — E. coli ist nicht nur beweglich, er ist auch in der Lage, sich seinen Weg zu „erschnüffeln“. Die Bakterien können dadurch auf interessante Substanzen

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in der Umgebung zu- und von gefähr­ lichen Substanzen wegschwimmen. — E. coli ist als Biofilmbildner in der Lage, feste, schleimumhüllte Schich­ ten zu bilden, um Oberflächen zu ­besiedeln und sich dort festzusetzen. — E. coli ist ein der Lage, Sex-Pili zu bil­ den, über die sie Gene mit anderen Bakterien austauschen können. Gene werden bei Bakterien vornehmlich über bewegliche genetische Elemente (Plasmide) übertragen. Dabei können Gene zwischen verschiedenen E.-coliFormen weitergegeben werden, der Austausch kann aber auch die Art­ grenze überbrücken. So weiß man, dass E. coli ein sehr gefährliches Re­ sistenzgen von Klebsiella bekommen hat. Hierbei handelt es sich um ein Gen für eine Carbapenemase – ein Enzym, das Carbapeneme sowie Meropenem zerstören kann. — Über die Aufnahme von Resistenz­ genen kann E. coli eine Vielzahl an verschiedenen Anti­biotikaresistenzen „sammeln“. E. coli besitzt damit nicht zwangsläufig mehr Fähigkeiten als andere Bakterien, die Eigenschaften von E. coli sind nur besonders gut untersucht. Fast alles, was man bei diesem Organismus ent­ deckt, findet man auch bei zahlreichen anderen Bakterien. Auch hier ist E. coli sozusagen der Prototyp oder, wie man fachlich eher sagen würde, der Modell­ organismus.

Die Bedeutung für den Menschen Wir kennen E. coli vor allem als Bewoh­ ner der menschlichen Darmfl