Grundlegende Strukturen des deutschen Wissenschaftssystems

Dieses Kapitel beginnt mit einem Überblick der historischen Entwicklung des bundesdeutschen Wissenschaftssystems; daran schließt sich eine kurze Betrachtung seiner wesentlichen Akteure an. Abschließend werden aktuelle Trends vorgestellt, die das Wissensch

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.1. Historische Entwicklung des Wissenschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland Das deutsche Wissenschaftssystem ist zunächst geprägt durch die Entwicklung des Hochschulsektors. Im Zuge der Humboldtschen Reformen entstanden Universitäten, später dann auch Technische Hochschulen und in den 1870er Jahren auch Fach- und Ingenieurschulen (Hohn und Schimank, 1990, S. 40). Die Hochschulgeschichte ist dann nach 1945 maßgeblich bestimmt durch die Restauration eines vor-nationalsozialistischen Zustandes. Das Leitbild dieser Wiederherstellung war dabei immer noch durch die Vorstellungen Humboldts geprägt (Bartz, 2005, S. 207 ff.; Locker-Grütjen, 2011, S. 29). Die außeruniversitäre Forschung entwickelt sich erst später als der Hochschulsektor, etwa ab 1870; die ersten Forschungsorganisationen außerhalb der Universitäten bildeten sich mit den Akademien, deren Grundgedanken bis in die griechische Antike zurückreichten. Die älteste, auch noch heute bestehende Akademie, ist die 1652 gegründete Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina (Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2012, S. 65). Heute gibt es acht deutsche Akademien der Wissenschaften in Berlin, Düsseldorf, Göttingen, Hamburg, Heidelberg, Leipzig, Mainz und München. Um sich nach innen zu koordinieren und nach außen zu (re-)präsentieren, haben sie sich in der „Union der deutschen Akademien der Wissenschaften“ zusammengeschlossen (http://www.akademienunion.de/). Als erste Ressortforschungseinrichtungen wurden 1871 die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), 1876 das kurzzeitig (1884-1885) von Robert Koch geleitete

F. Wernitz, Wissenschaftsmarketing, DOI 10.1007/978-3-658-08691-6_4, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2015

4.1. Historische Entwicklung des Wissenschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland

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Kaiserliche Gesundheitsamt (KGA) und 1887 die Physikalisch-Technische Reichsanstalt (PTR) als Vorläufer der heutigen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) gegründet; die letztere Gründung ging hervor aus von einer Initiative von Siemens, Helmholtz und anderen, die 1872 mit einer Denkschrift an das Preußische Kultusministerium eine entsprechende Gründung nahelegten. Die Kosten einer Gründung erschienen für das Land Preußen zu hoch, die Reichsregierung griff jedoch das Angebot von Siemens zur Finanzierung eines geeigneten Grundstückes und erster Gebäude auf (Meusel, Köstlin und Blum, 1999, S. 43 f.). Damit erfolgte erstmals die Kompetenzübernahme durch das Reich, bei der sich industriepolitische Zweckdienlichkeitserwägungen gegen verfassungsrechtliche Bedenken durchsetzten (ebd., S. 45). Die Wissenschaft blieb im Kaiserreich weitgehend unbeeinflusst durch «Regierung, politischgesellschaftliche Eliten, Parteien, Parlament, Interessenverbände und Öffentlichkeit» (ebd., S. 37). Auf der Grundlage dieser wissenschaftsliberalen Basis entwickelte sich die Selbstverwaltung der Universitäten, Technischen Hochschulen und Akademien. Die Phase des ausgehenden Kaiserreiches war zudem gekennzeichnet durch einen starken wirtschaftlichen Aufschwung,