Himmel und Erde
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Weibs-Bilder
Raffael da Urbino
Himmel und Erde Im Jahr 2012 feierte die Stadt Dresden das berühmteste Bild ihrer berühmten Gemäldegalerie mit einer Sonderausstellung: „Die schönste Frau der Welt wird 500 – die Sixtinische Madonna“. Ob wir es hier tatsächlich mit der schönsten Frau der Welt zu tun haben, darüber mag man streiten – um ein Bild der Superlative handelt es sich auf jeden Fall.
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D
as fängt bereits beim Kaufpreis an. 25.000 Scudi – eine für die damalige Zeit unvorstellbare Summe – zahlte der sächsische Kurfürst und polnische König August III. (der Starke) 1754 den Ordensleuten von Piacenza, um das Bild aus einem italienischen Kloster in seine Kunstsammlung zu überführen. Die Ordensleute brauchten Geld, der Kurfürst einen Raffael – so kam die Madonna nach Dresden. Dort bricht sie seitdem alle Besucherrekorde. Im 19. Jahrhundert gehörte es für vornehme Kreise zum guten Ton, nicht nur die obligatorische Bildungsreise nach Italien zu unternehmen, sondern auch zur Sixtinischen Madonna in die sächsische Hauptstadt zu pilgern. Und in der Tat hat Raffael hier eines der absoluten Meisterwerke der Hochrenaissance geschaffen. Die Madonna selbst wirkt auf dem Bild weniger ikonenhaft als üblich. Sie trägt eher die sehr menschlichen Züge einer überaus schönen Frau. Auch das Jesuskind wirkt sehr realistisch. Über seinen Blick ist viel spekuliert worden. Spiegelt sich hier bereits ein erstes Erschrecken über den späteren Tod am Kreuz? Trotz aller menschlichen Züge wird das Himmlische der Erscheinung – die Epiphanie – vielfach betont. Schwerelos schwebt die Madonna mit dem Kind in der Bildmitte. Der Hintergrund aus scheinbar weißen Wölkchen entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Gewebe aus Engelsköpfen. Die beiden knienden Figuren zu Füßen der Jungfrau vervollkommnen die von Raffael bevorzugte geometrische Bildkomposition. Es ist ein Gemälde reiner und vollkommender Harmonie. Wir wissen aber auch: Was allzu harmonisch ist, läuft immer Gefahr ein wenig langweilig zu werden. Was allzu schön ist, gleitet schnell ins Kitschige ab. Vielleicht war sich Raffael dieser Gefahr bewusst, als er dem Bild jene beiden Putten hinzufügte, die sich sichtbar gelangweilt am unteren Bildrand herumlümmeln. Hier wird das allzu Himmlische und Entrückte spürbar geerdet. Bemerkenswert ist allerdings auch: Bei den vielen Besprechungen des Bildes finden die beiden bis ins 19. Jahrhundert hinein kaum Erwähnung. Erst mit Beginn des 20. Jahrhunderts beginnen die geflügelten Lausbuben ihr Eigenleben zu führen. Inzwischen sind sie als beliebte Souvenirmotive und Werbeträger für Produkte jeglicher Art bekannter als das Bild selber. Die Sixtinische Madonna – das ist heute vor allem das Bild mit den beiden schelmischen Putten, über deren Köpfen sich irgendwas Heiliges abspielt, das wir nicht mehr so genau verstehen. Auch das sagt viel über unser Zeitalter. P rof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk gynäkologie + geburtshilfe 2020; 25 (5)
Raffael: Sixtinische Madonna (1512–13)
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