Messung von Energiearmut trotz Datenmangels.

In vielen Ländern Europas werden heute Debatten bezüglich der Umgestaltung des Energiesektors geführt, mit dem Ziel, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren und dem Klimawandel entgegenzuwirken. Zwar gewinnt das Thema Energiearmut in dies

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REPORT


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Vorstellung einer Methode zur Bestimmung des erforderlichen Energieverbrauchs Ines Imbert, Marie Sevenet, Patrice Nogues und Jean-Marie Bahu

10 Messung von Energiearmut trotz Datenmangels

10.1

Einleitung

In vielen Ländern Europas werden heute Debatten bezüglich der Umgestaltung des Energiesektors geführt, mit dem Ziel, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren und dem Klimawandel entgegenzuwirken. Zwar gewinnt das Thema Energiearmut in diesem Kontext vermehrt an Bedeutung (Schaff rin, 2013), aber es bestehen weiterhin große Unterschiede hinsichtlich der Stellung, die Energiearmut in der politischen Wahrnehmung in unterschiedlichen Ländern einnimmt. In Deutschland beispielsweise hat das Thema erst im Rahmen der Debatte um die Kosten der Energiewende die öffentliche und politische Aufmerksamkeitsschwelle überschritten. Demgegenüber ist in Großbritannien Energiearmut schon seit einigen Jahrzehnten ein wichtiges Thema und es ist dort selbstverständlich, dass die Auswirkungen umweltpolitischer Maßnahmen auf energiearme Haushalte bei der Gestaltung dieser Politiken von vornherein berücksichtigt werden (Association for the Conservation of Energy, 2010, Guertler, 2012, Preston et al., 2010, Stockton und Campbell, 2011). Um diese Auswirkungen abzuschätzen, sind aussagekräft ige Indikatoren nötig. Dabei stellt sich die Frage, welcher der Indikatoren, die bisher entwickelt wurden, verlässliche Ergebnisse liefern und die von Energiearmut betroffen Haushalte am besten beschreiben kann. Je nach Indikator wird Energiearmut auf objektive oder subjektive Weise, mit absoluten oder relativen Schwellenwerten bestimmt. Auch die Art der Berechnung von Einkommen und Energieverbrauch unterscheidet sich. Doch egal welcher Indikator gewählt wird, es besteht weitgehend Konsens in der Energiearmuts-Forschung, dass die Energiekosten anhand eines erforderlichen Energieverbrauchs bestimmt werden sollten. Das heißt, dass für die Analyse von Energiearmut nicht der tatsächliche Energieverbrauch der Haushalte herangezogen wird, sondern ein modellierter, der darstellt, wie hoch der Energieverbrauch eines © Springer Fachmedien Wiesbaden 2017 K. Großmann et al. (Hrsg.), Energie und soziale Ungleichheit, DOI 10.1007/978-3-658-11723-8_10

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Ines Imbert, Marie Sevenet, Patrice Nogues und Jean-Marie Bahu

Haushalts sein müsste, um einen angemessenen Wärmekomfort zu erreichen1. Denn ansonsten würden Haushalte, die ihren Energieverbrauch aus finanziellen Gründen einschränken und allein deswegen niedrige Energiekosten aufweisen, nicht als energiearm gelten. Andererseits könnten Haushalte als von Energiearmut betroffen angesehen werden, die verschwenderisch mit Energie umgehen und deshalb unnötig hohe Energiekosten haben. Der erforderliche Energieverbrauch wird mithilfe ingenieurswissenschaftlicher Modelle bestimmt. In die Modellierung fließen Informationen zur Gebäudegeometrie, der Gebäudeenergieeffizienz, der Geräteausstattung und -effizienz, zu klimatischen Bedingungen und zum (standardisierten2) Nutzerverhalten ein (Ratti