Anatomie der Corona-Krise in Europa
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DOI: 10.1007/s10273-020-2746-8
Konjunkturschlaglicht
Anatomie der Corona-Krise in Europa Amtliche Daten zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen liegen inzwischen für die ersten zwei Quartale 2020 vor. Sie ermöglichen eine international vergleichende Analyse der Auswirkungen der Corona-Krise auf makroökonomische Kenngrößen. Im Folgenden werden jeweils Veränderungsraten der preis-, kalender- und saisonbereinigten makroökonomischen Aggregate zwischen dem vierten Quartal 2019 (Vorkrisenniveau) und dem zweiten Quartal 2020 (Tiefpunkt der Krise auf Quartalsebene) ausgewiesen, sowohl für die Verwendungs- als auch für die Entstehungsseite. Betrachtet werden die fünf größten Volkswirtschaften des Euroraums (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Niederlande) und Großbritannien. Die wirtschaftliche Aktivität hat sich in den Ländern sehr unterschiedlich stark abgeschwächt (vgl. Abbildung 1). So ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den Niederlanden im ersten Halbjahr „nur“ um knapp 10 % zurückgegangen, und in Deutschland um 11,5 %, während die Rückgänge in Italien (17,6 %), Frankreich (18,9 %), Großbritannien (22,1 %) und Spanien (22,7 %) weitaus drastischer waren. Maßgeblich für diese massiven Unterschiede ist neben dem variierenden Infektionsgeschehen der Grad der seuchenpolitischen Eingriffe (Härte und Dauer des Lockdowns) und die jeweilige Wirtschaftsstruktur (z. B. Tourismus- oder Exportabhängigkeit). Der Private Verbrauch ist dabei im Allgemeinen geringfügig mehr zurückgegangen als das BIP. Auffälligkeiten gibt es allerdings beim Staatsverbrauch, der vielerorts in etwa auf dem Vorkrisenniveau verblieb, nicht jedoch in Frankreich und Großbritannien, wo zweistellige prozentuale Rückgänge ausgewiesen wurden. Gleichzeitig gingen diese Rückgänge mit hohen Zuwächsen des jeweiligen Deflators einher (Frankreich 10,6 %, Großbritannien 35 %), während die Preisentwicklung des Staatsverbrauchs in den übrigen Ländern eher unauffällig war. Dies deutet auf unterschiedliche Bewertungen krisenbedingter Vorgänge durch die statistischen Ämter hin. Eine detailliertere Betrachtung zeigt, dass die Diskrepanzen durch die Konsumausgaben des Staates für den Individualbereich – also etwa Ausgaben für Bildung und Gesundheit – verursacht wurden. Konkret
wurde etwa der Unterrichtsausfall an britischen Schulen als substanzieller Rückgang der Aktivität verbucht,1 während anderswo die stetige Kostenentwicklung z. B. für Lehrergehälter das ausgewiesene, tendenziell gleichbleibende Aktivitätsniveau bestimmt. Fraglich ist, ob die Makrodaten international noch vergleichbar sind, wenn man diese hohen Diskrepanzen beim Deflator des Staatskonsums berücksichtigt. Der starke Rückgang des BIP in Großbritannien um 20,4 % im zweiten Quartal 2020 ist zum Teil auch durch diesen Effekt bedingt und lässt einen umso stärkeren Rückprall-Effekt für das zweite Halbjahr erwarten. Der Außenhandel ist überproportional von der Krise betroffen. Insbesondere gilt dies für die Exporte aus Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. In Italien und Spanien sind insbes
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