Das Spiel mit den Falten
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Das Spiel mit den Falten Gefaltete Strukturen, narrative Strategien und optische Effekte in entfaltbaren Kinderbüchern vom 19. Jahrhundert bis heute Christoph Benjamin Schulz1
© Akadémiai Kiadó, Budapest, Hungary 2020
Abstract In the history of books, fold-out pages or page sequences in bound books have at first glance particularly been used for the purpose of reducing large-format illustrations to the format of a book—thus for practical rather than aesthetic or even playful reasons. This applies, for example, to maps, all kinds of complex schematic drawings, chronologies or panoramic-geographical representations. This article is dedicated to the use of folds in children’s books from the nineteenth century to the present day, ranging from unfoldable illustrations in books, to pages unfolding out of books, to book objects dissolving through unfolding. The artistic approach to processes of unfolding not only allows for unconventional forms of narration; it can also be an occasion to question the conventionalised material form of the codex. Keywords Folded books · Children’s literature · Illustration · Book design · Book objects · Book history
Faltungen in der okzidentalen Buchgeschichte Auf den ersten Blick wurden ausfaltbare Seiten oder Seitenfolgen in gebundenen Büchern in der Buchgeschichte insbesondere zu dem Zweck eingesetzt, großformatige Darstellungen auf das Format eines Buches zu reduzieren—somit eher aus praktischen als aus ästhetischen oder gar spielerischen Gründen. Dies gilt
* Christoph Benjamin Schulz [email protected] 1
Wuppertal, Germany
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Vol.:(0123456789)
C. B. Schulz
beispielsweise für Landkarten, alle Arten komplexer schematischer Schautafeln, für Chronologien oder für panoramatisch-geographische Darstellungen. Man findet sie sowohl in Manuskripten als auch in gedruckten Büchern seit der Frühen Neuzeit.1 Ein besonders spektakuläres Beispiel dafür, dass gefaltete Strukturen in Büchern auch in der Vergangenheit schon ein dezidiert ästhetisches Phänomen waren, ist das berühmte Voynich-Manuskript: Ein rätselhaftes Buch aus dem frühen 15. Jahrhundert, geschrieben in einer bis heute nicht entschlüsselten Sprache und fremden Schriftzeichen, das allem Anschein nach von einer fiktiven Welt handelt, von deren Menschen, ihrer Weltanschauung und ihren Gebräuchen. Dabei sind es nicht nur die zahlreichen Illustrationen, die dieses Buch über den kalligraphischen Text hinaus zu einem Buchkunstwerk machen, das die Forschung vonseiten unterschiedlicher Disziplinen bis heute herausfordert, sondern auch seine materielle Gestaltung. Der Kodex verfügt über auffallend viele entfaltbare Darstellungen, wobei der Umstand, dass diese in falttechnischer Hinsicht sehr unterschiedlich angelegt sind, nahelegt, dass die Kuriosität der damit verbundenen Überraschungseffekte über die angesprochene Pragmatik der Reduktion auf die Größe des Buchkorpus hinaus auf einer ästhetischen und performativen Ebene eine Rolle spielen sollte.2 Wie zudem mittelalterliche Faltbücher, spätmittelalterliche gefaltete Almanache, Lepore
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