Der Reggio Emilia Approach
Der Artikel „Der Reggio Emilia Approach: Partizipation in Geschichte und Gegenwart“ löst sich von der in Diskurs und Praxis in Deutschland weitverbreiteten Sichtweise auf die „Reggio-Pädagogik“. Er spürt in einer kritisch-historischen Perspektive den Ausw
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Sabine Lingenauber
In Deutschland wird der reformpädagogische Ansatz der kommunalen Kindertagesstätten und -krippen der norditalienischen Stadt Reggio Emilia in Diskurs und Praxis als Reggio-Pädagogik bezeichnet. Hingegen wird der Ansatz im internationalen Diskurs als Reggio Emilia Approach verstanden (vgl. Edwards u.a. 2012), und nicht nur auf die „Schulen der Kindheit1“, sondern vielmehr auf die Identität der gesamten Stadt Reggio Emilia bezogen (vgl. Bertani 1990, S. 29; Rinaldi 2006a, S. 121). Der Reggio Emilia Approach basiert auf den Erfahrungen eines „Gemeinwesen-Projektes“ (Rinaldi 2006a, S. 121), das die Identität der Stadt prägt, die durch Partizipation charakterisiert wird (vgl. Rinaldi 2006b, S. 155). Der Ansatz entstand in der Zeit der Okkupation Italiens durch die deutsche Wehrmacht und aus einem „Befreiungskampf“ (Barazzoni 2000, S. 17) der lokalen Bevölkerung heraus: der Resistenza. Bereits während der Zeit des Widerstandes (1943–1945) forderte das „Komitee zur Verteidigung der Frauen2 (…) die Verteidigung der Kindheit durch einen umfangreichen Verbund von Kinderkrippen und Kindertagesstätten“ (Barazzoni 2000, S. 26, Übersetzung der Verfasserin; vgl. Giaroni 2002, S. 7). Das erste asilo di Villa Cella del popolo3 (XXV Aprile)4 entstand unmittelbar nach Kriegsende in Villa 1 2 3 4
Damit werden nachfolgend die kommunalen Kindertagesstätten (scuole dell’infanzia) und Kinderkrippen (nidi dell’infanzia) in Reggio Emilia bezeichnet. Seit 1944 gab es die Verteidigungsgruppen der Frauen als Teil der Resistenza. Aus ihnen ist im Oktober 1945 die Vereinigung Italienischer Frauen (Unione Donne Italiane, UDI) hervorgegangen. Asilo/asili bezeichnet die von Bürgerinnen und Bürgern nach 1945 gegründeten und selbstverwalteten Kindertageseinrichtungen. XXV Aprile ist eine der beiden in Selbstorganisation nach Kriegsende entstandenen Einrichtungen, deren Geschichte veröffentlicht wurde. Zur Geschichte des asilo del popolo Martiri di Sesso Nursery School siehe Reggio Children (2002a) und zur Übersicht siehe Reggio Children (2012).
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018 H. Barz, Handbuch Bildungsreform und Reformpädagogik, DOI 10.1007/978-3-658-07491-3_51
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Cella, einem Vorort von Reggio Emilia, der am 25. April 1945 durch Partisaninnen und Partisanen5 von der faschistischen Gewaltherrschaft befreit wurde (vgl. Barazzoni 2000). Ziel war die Befreiung von Bildungsbenachteiligung der Kinder der „Arbeiterklasse“ (vgl. Barazzoni 2000, S. 18f.). „Um dieses Bestreben umsetzen zu können, begann eine Gruppe von Frauen, Mitglieder des Komitees zur Verteidigung der Frauen, innerhalb weniger Tage nach dem Ende des zweiten Weltkrieges, mit dem, was seither als Reggio Emilia Erfahrung bekannt wurde“ (Hall 2010, S. 19, Übersetzung der Verfasserin; vgl. Cagliari u.a. 2016). Das asilo di Villa Cella wurde mit der „Partizipation“ und der „ehrenamtlichen Arbeit der gesamten Bevölkerung“ erbaut (Barazzoni 2000, S. 19). „Das CLN (Komitee der Nationalen Befreiung, Anmerkung der Verfasserin) investierte a
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