Rassismus und psychische Gesundheit

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REPORT


U. Kluge1,2 · M. C. Aichberger1,2 · E. Heinz1 · C. Udeogu-Gözalan3 · D. Abdel-Fatah1,2 1

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité Campus Mitte, Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland 2 Berliner Institut für Empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM), Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin, Deutschland 3

Psychotherapeutische Hochschulambulanz für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene, LudwigMaximilians-Universität, München, Deutschland

Rassismus und psychische Gesundheit Einführung Die rassistisch motivierten Gewalttaten gegen Walter Lübcke (2019), von Halle (2019) und Hanau (2020) sind uns noch präsent. Allerdings sind diese medial besonders sichtbaren Ereignisse nur die „Spitze des Eisberges“. Aktuelle Statistiken, die in der medialen Öffentlichkeit weniger sichtbar sind, geben uns ein differenzierteres Bild des Ausmaßes der aktuellen Situation rechter, rassistisch und antisemitisch motivierter Angriffe und Gewalttaten in den letzten 30 Jahren. Seit 1990 wurden in einem Langzeitprojekt von Frankfurter Rundschau, Tagesspiegel und Zeit-online mindestens 169 Todesopfer rechter Gewalt registriert, von denen nur etwa die Hälfte in den offiziellen Statistiken erscheint [88]. Im Jahr 2019 wurden mindestens fünf Menschen Opfer rechter Gewalt und rund zwei Drittel aller Angriffe (841 Fälle) waren rassistisch motiviert. Sie richteten sich vornehmlich gegen schwarze Deutsche und Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung [79]. Bisher liegen keine umfänglichen Studien zu den psychischen Folgen rassistisch motivierter Gewalterfahrungen auf die davon Betroffen in Deutschland vor. Die generellen Folgen von Diskriminierung und Ausschluss für die psychische Gesundheit sind jedoch bekannt, wie im Folgenden ausgeführt werden wird. Dem Zusammenhang zwischen rechter und rassistisch motivierter Gewalt widmete die Zeitschrift Trauma-Zeitschrift für Psychotraumatologie und ihre

Anwendung zu Beginn 2020 ein Schwerpunktheft [47]. Die Autor*innen diskutieren darin die gesellschaftlichen, biographischen und psychischen Langzeitfolgen rechter und rassistisch motivierter Gewalt und formulieren als zentrales Anliegen die Notwendigkeit, die Stimmen der von rechter Gewalt Betroffenen in der Öffentlichkeit hörbar zu machen. Diese Erfahrungsberichte, wie sie beispielsweise in der Podcast-Serie von NSU Watch und VBRG e. V. „Vor Ort – gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt“ (siehe: https://www. verband-brg.de/podcast/) zusammengetragen wurden, verweisen nicht nur auf die Notwendigkeit der gesamtgesellschaftlichen Solidarität mit den Opfern, sondern sind zugleich Zeugnisse der Auswirkungen rassistischer Gewalt auf die Erfahrungswelten und damit die psychische Gesundheit der Opfer. Für eine differenzierte Debatte in der Psychiatrie und zum Umgang mit von Rassismus Betroffenenwerdenwirim folgenden Beitrag drei Stränge des aktuellen Diskussionsstandes genauer beleuchten: I. Rassismusdiskurse und eine kritische Betrachtung der Begriffe „Rasse“ und „race“, II. die Auswirkungen von Rassismus und Diskrimini