Rechtfertigen in der Mathematik und im Mathematikunterricht

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Rechtfertigen in der Mathematik und im Mathematikunterricht Hans Niels Jahnke · Ralf Krömer

Eingegangen: 22. Januar 2018 / Angenommen: 23. September 2019 © GDM 2019

Zusammenfassung Während es mit „Beweisen“ einen Begriff für deduktive Argumentationen in der Mathematik gibt, fehlt ein konsentierter Begriff für die Entwicklung und Bewertung von Gründen, die zur Annahme oder Ablehnung von Axiomen und Definitionen führen. Wir schlagen hierfür „Rechtfertigen“ vor. Beide Begriffe; „Beweisen“ und „Rechtfertigen“, können innerhalb einer Rahmentheorie trennscharf benutzt werden, weil Axiome/Definitionen nicht bewiesen werden und es für ein Theorem nicht ausreicht, „nur“ gerechtfertigt zu werden. Prozesse der Rechtfertigung sind ein wesentliches Element mathematischer Praxis und Argumentation, ohne die das Beweisen und die Bedeutung von Axiomen nicht verstanden werden können. Die Fragestellung der Arbeit wird zunächst anhand einer Äußerung von Felix Klein näher entwickelt. Dann diskutieren wir die komplementäre Beziehung von Rechtfertigen und Beweisen, geben zwei historische Beispiele und erörtern (im Online-Supplement) anhand zweier Beispiele, in welcher Weise „Rechtfertigen“ im Mathematikunterricht der allgemeinbildenden Schule eine Rolle spielen könnte und sollte. Schlüsselwörter Rechtfertigen · Beweisen · Definieren · Axiom · Negative Zahlen · Neunerperioden Ergänzungen online Vertiefende Beispiele sind in der Online-Version dieses Artikels (https://doi. org/10.1007/s13138-019-00157-9) enthalten. Die Angaben zur dort zitierten Literatur finden sich in der Literaturliste am Ende des Artikels unter „Weiterführende Literatur“. H. N. Jahnke () Fakultät für Mathematik, Universität Duisburg-Essen, Thea-Leymann-Str. 9, 45127 Essen, Deutschland E-Mail: [email protected] R. Krömer Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften, Arbeitsgruppe Didaktik und Geschichte der Mathematik, Bergische Universität Wuppertal, Gaußstraße 20, 42119 Wuppertal, Deutschland E-Mail: [email protected]

K

H. N. Jahnke, R. Krömer

Mathematics Education Subject Classification (MESC) D20 · E20 · E40 · E50

Justification in Mathematics and its Teaching Abstract While we have the term “proving” for “deductive reasoning in mathematics”, there is no consented term for the devising and evaluation of reasons leading to the acceptance or rejection of axioms and definitions. We suggest to speak about “justifying” in this case. The terms “proving” and “justifying” can be used in a mutually exclusive way in a given theoretical framework, because axioms or definitions are not proved, and for a theorem it is not sufficient “only” to be justified. Processes of justification are an essential element of mathematical practice and reasoning without which the activity of proving and the role of axioms cannot be understood. To state more precisely the problem treated in the present paper, we start from a statement by Felix Klein. We then discuss the complementary relation of justifying and proving and give two historical examples. In the online supplementar