Sparen und Investieren im Spannungsfeld widerstreitender Paradigmen
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Zeitgespräch
Peter Bofinger
Sparen und Investieren im Spannungsfeld widerstreitender Paradigmen Die Makroökonomie wird von zwei Paradigmen geprägt: dem (neo-)klassischen Modell und dem keynesianischen Modell. Da Bewegungsgesetze beider Modelle genauso diametral entgegengesetzt sind wie die des ptolemäischen und des kopernikanischen Weltbilds, muss der Versuch der Synthese zu erheblichen Widersprüchen führen (Bofinger, 2020). Das Buch „Sparen und Investieren im 21. Jahrhundert“ von Carl-Christian von Weizsäcker und Hagen Krämer (2019) bietet ein interessantes Beispiel für dieses Spannungsfeld. Es analysiert die Auswirkungen der Demografie auf das Finanzsystem aus beiden Perspektiven, ohne eine eindeutige Präferenz auszusprechen. Sie begründen das damit, dass „obwohl die Wirkungsrichtung zwischen Ersparnissen und Investitionen gerade anders herum gesehen wird – die Situationsanalyse und vor allem die wirtschaftspolitischen Empfehlungen eine sehr große Schnittmenge (…) aufweisen.“ (v. Weizsäcker und Krämer, 2019, 212) Auch wenn man Sympathie für die wirtschaftspolitischen Empfehlungen des Werkes hat, kann es nicht gleichgültig sein, wie die Ergebnisse hergeleitet werden, zumal bei genauerem Hinsehen deutlich wird, dass bei der Diagnose und der Therapie erhebliche Divergenzen bestehen. Der Grundgedanke und die Mehrzahl der analytischen Kapitel des Buches sind allerdings von der klassischen Weltsicht geprägt: „Wenn die Menschen mit steigender Lebenserwartung und steigendem Wohlstand ihr Vermögen schneller aufbauen wollen als ihren jährlichen Konsum, wenn aber andererseits das Produktionssystem vor einer zusätzlichen Komplexität, vor zusätzlichen Produktionsumwegen zurückschreckt, dann drückt das Kapitalangebot immer stärker auf den ‚Preis‘. (…) Der Preis für Kapital ist aber der Zins. Er müsste unter Bedingungen der Vollbeschäftigung ins Negative sinken, wenn es keine Gegenkraft gäbe. Diese Gegenkraft ist der Staat; (…) Der Staat muss ein negatives Kapitalangebot entfalten, indem er die Staatsschulden gerade um so viel erhöht, dass trotz der privaten Sparschwemme Vollbeschäftigung bei einem nicht-negativen Realzins erhalten bleibt.“ (v. Weizsäcker und Krämer, 2019, 9)
© Der/die Autor(en) 2020. Open Access: Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (https:// creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht.
Das klassische Modell des Kapitalmarkts Das klassische Modell überträgt die Mechanismen des Gütermarkts auf den Kapitalmarkt, der deshalb für eine Welt ohne Geld modelliert wird. Stattdessen gibt ein als „Kapital“ bezeichnetes Allzweckgut, das gleichermaßen als Konsumgut, als Investitionsgut und als Finanzmittel verwendet werden kann. So schreiben beispielsweise Barro und Sala-Martin (2004, 25): „One way to think about the one-sector technology is to an analogy with farm animals that can be eaten or used as inputs to produce more farm animals. The literature on economic growth has used more inventive examples – whith such terms as shmoohs, putty or ectoplasm – to
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