Sprachlich-kommunikative Aspekte der medizinischen Indikation

  • PDF / 175,549 Bytes
  • 7 Pages / 439.37 x 666.142 pts Page_size
  • 85 Downloads / 220 Views

DOWNLOAD

REPORT


Sprachlich-kommunikative Aspekte der medizinischen Indikation Elsa Romfeld · Alice Schwab

© Der/die Autor(en) 2020

Die theoretische Auseinandersetzung mit der medizinischen Indikation als einem zentralen Begriff des ärztlichen Handelns ist in den letzten Jahren auch im deutschen Sprachraum verstärkt in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt; das belegen unter anderem die Zunahme an Publikationen1 sowie die Ausrichtung einschlägiger Tagungen2. Während dort die Explikation des Begriffs, die medizinischen Grundlagen oder die ärztliche Praxis, einschließlich rechtlicher Lage und ökonomischer Rahmenbedingungen, eine vergleichsweise intensive Betrachtung erfahren, werden die sprachlich-kommunikativen Aspekte zumeist, wenn überhaupt, nur am Rande beleuchtet. Dieser Themenschwerpunkt möchte genau diesen Perspektiven und Fragestellungen Raum geben. Wie zu zeigen ist, spielen neben medizinischwissenschaftlichen Entscheidungen kommunikativ vermittelte soziale Aspekte, beispielsweise Machthierachien, sowie sprachlich wirksame kulturelle Konzepte und Hintergrundannahmen eine wesentliche Rolle im Umgang mit der Indikation. Einführend soll im Folgenden zunächst die Problematik des Indikationsbegriffs bzw. der Indikationsstellung in der klinischen Praxis näher in den Blick genommen werden.

1

Beispiele dafür siehe unter „Literatur“ am Ende des Editorials.

2

Z. B. „Medizinische Indikation und ökonomische Differenz“, Zentrum für Gesundheitsethik an der Evangelischen Akademie Loccum, 7.–8. November 2013; „Medizinische Indikation und ärztliche Verantwortung“, 3. Göttinger Symposium zum Medizinrecht, 27. Oktober 2017.

E. Romfeld, M.A. () Medizinische Fakultät Mannheim, Fachgebiet Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin, Universität Heidelberg, Ludolf-Krehl-Straße 13–17, 68167 Mannheim, Deutschland E-Mail: [email protected] Dr. med. A. Schwab, MAE St. Franziskus Hospital Münster, Hohenzollernring 70, 48145 Münster, Deutschland E-Mail: [email protected]

K

232

E. Romfeld, A. Schwab

Der Begriff der Indikation im klinischen Umfeld. Eine Problematisierung Im klinischen Sprachgebrauch ist der Begriff der Indikation allgegenwärtig. Er wird mit großer Selbstverständlichkeit verwendet, doch es fehlt eine klare Definition. Zwar existiert bei Ärzt*innen und Pflegekräften in der Regel eine Intuition, was damit gemeint sein könnte, sie bleibt aber vage. Eine Vielzahl allgemeiner Explikationen bietet zunächst das Internet an. Dort erläutern Wissensplattformen wie Wikipedia den Rezipient*innen etwa die absolute, relative, vitale oder selektive Indikation. In der ethischen Fachliteratur werden weitere Spezifizierungen vorgenommen: Neitzke (2015) spricht von der ärztlichen und medizinischen Indikation, Raspe (2015) von der generellen, individuellen und personalen Indikation, Wiesing (2017) beschreibt die Indikationsstellung, die Indikationsregel und das Indikationsgebiet. Parallel wird hinterfragt, ob und in welcher Form der Begriff der Indikation überhaupt Bestand haben sollte. So schlägt Marckmann (2015) vor, In