Stand der wissenschaftlichen Forschung in der Akupunktur und Chinesischen Medizin
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Editorial
Stand der wissenschaftlichen Forschung in der Akupunktur und Chinesischen Medizin Die Interpretation der großen Akupunktur-Modellvorhaben im Jahr 2004 durch die Medien „Akupunktur wirkt – egal wohin man sticht“ hat uns Akupunkteure verärgert und irritiert, haben wir doch die tägliche klinische Erfahrung, dass unser Tun hilfreich und oft wirksam ist. Dabei war die Sachlage auch 2004 ganz anders – Akupunktur war in allen vier Indikationen besser als die schulmedizinische Standardtherapie, mit messbaren Effektgrößen, doch wurde dies nie wahrgenommen − auch nicht in der Akupunkturgemeinde. Hier herrscht möglicherweise ein Art Negierung, eine „Kopf-inden-Sand-stecken“-Mentalität vor, dabei kann auch die Akupunktur vieles und Neues aus der Forschung der letzten 30 Jahre lernen. Seit 1998 (erste Consensus-Konferenz des US-amerikanischen National Institute of Health, bei der vier Indikationen als bewiesen angesehen wurden) bis heute hat sich die Forschung im Bereich der Akupunktur vervielfacht, es gibt umfangreiche Daten und Belege zur Wirksamkeit, das Verständnis über Wirkmechanismen und spezifische Wirkungen, die für die endgültige Akzeptanz Voraussetzung ist, hat stark zugenommen. Akupunktur ist heute ein akzeptiertes und sicheres Therapieverfahren und wird in einigen Leitlinien empfohlen, nicht nur bei Schmerzerkrankungen, sondern auch bei Allergien und einer Vielzahl anderer Indikationen bis hin zur chronisch stabilen Angina pectoris. Wir können heute mit breiter Brust und berechtigtem Selbstbewusstsein unsere Medizin auch gegenüber manchen Anfeindungen der Skeptiker mit guten, wissenschaftlichen Daten verteidigen, und alle Akupunkturärzte sollten das entsprechende Wissen in diesem Heft der Chinesischen Medizin finden: Benno Brinkhaus und Kollegen und Kolleginnen (Charité Berlin) stellen den aktuellen Stand der Studien dazu umfassend dar und bieten eine kritische Übersicht über die Datenlage. Dominik Irnich (LMU München und DÄGfA) gibt einen ausführlichen Überblick über die physiologischen Wirkungen der Akupunktur, die nach funktionell-anatomischer Einteilung unterschieden werden in periphere Mechanismen, spinale Mechanismen auf Rückenmarksebene inklusive segmentaler Effekte und supraspinale-zerebrale Mechanismen. Weiter beleuchtet Irnich auch kurz die Akupunktureffekte auf die verschiedenen nicht-somatischen Ebenen. Die Akupunkturforschung und speziell auch die deutschen Modellvorhaben führten zu einem großen Schub im Verständnis von Placebo-Effekten, hier hat Ted Kaptchuk (Autor von „The web that has no weaver“) Umfassendes geleistet. Das Placebo-Problem in der Akupunkturforschung beschreibt Tom Ots (DÄGfA, Graz) in seinem Beitrag und Studie exzellent, die sehr genau die Kritikpunkte der Modellversuche erfassen und einen wesentlichen Mechanismus, die neuronal-segmentalen Effekte (Dermatome, Myotome) der Akupunktur, als den wichtigsten Zusammenhang postulieren, damit auch die Leitbahntheorie in Frage stellen. Die klassische Akupunkturtheorie hatte mehr als 2.000 Jahre vor der
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Chin Med 2020 · Nr. 4
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