Wie sicher sind unsere Diagnosen?

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Diagnostische Genauigkeit in der Psychiatrie

Wie sicher sind unsere Diagnosen? Ralf Ihl, Krefeld

Diagnosen sind die Grundlage der Behandlungsentscheidungen und Kostenerstattungen im Gesundheits­ system sowie der Patientenstratifizierung in der klinischen Forschung. Daher ist auch die Sicherheit ­beziehungsweise Genauigkeit der psychiatrischen Diagnosen selbst ein wichtiger Forschungsgegenstand.

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Die Sicherheit oder Genauigkeit psychiatrischer Diagnosen ist damit selbst zum Gegenstand der Forschung geworden. Der aktuelle Stand soll hier am Beispiel von Erkenntnissen zur Demenzforschung aufgezeigt werden. Einige grundlegende Erwägungen sind dabei zu berücksichtigen. Im Alltag bilden die Anamnese, die körperliche und neurologische Untersuchung sowie der psychopathologische Befund die Basis für weitere diagnostische Notwendigkeiten wie Labor­ analysen, testpsychologische und apparative Untersuchungen. Aus der Summe der Erhebungen ergibt sich eine Diagnose, die als Hypothese anzusehen ist und die im weiteren Verlauf einer ständigen Überprüfung bedarf. An so ermittelten Diagnosen wird häufig der Makel des Vagen wahrgenommen. Die erhobenen Parameter weisen in der Regel ein Spektrum von Werten

©© alphaspirit / Getty Images / iStock

iagnosen werden als wesentliche Grundvoraussetzung für Entscheidungen zur Behandlung sowie für die Bildung von Gruppen in der Forschung angesehen. Darüber hinaus sind sie eine Grundlage für Kostenerstattungen im Gesundheitssystem. Umso drängender stellt sich die Frage, wie sicher und genau unsere Diagnosen wirklich sind. Für Krankheiten wie die Creutzfeld-Jakob-Erkrankung, die sich über eine leicht zu erhebende valide Zusatzuntersuchung bestimmen lassen, sind Abweichungen durch unterschiedliche Untersucher, fehlende Spezifität oder wiederholte Messungen eher gering. Je schwerer sich jedoch die Parameter bestimmen lassen, desto weniger ist eine Übereinstimmung der Diagnosen zu erwarten. Für die meisten psychiatrischen Erkrankungen trifft diese Einschränkung zu.

Diagnosen sind die Grundlage von jeder Behandlung. Sie sollten als Hypothesen angesehen werden, die überprüft werden müssen, damit sie ihr Ziel nicht verfehlen.

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DNP – Der Neurologe & Psychiater  2020; 21 (3)

auf, für das Übereinkünfte getroffen werden müssen, ab welchen Werten die Ergebnisse als pathologisch einzustufen sind. Auf diesem Weg entsteht durch einen Cut-off-Wert ein „Entweder-Oder-Charakter“, der bei genauer Betrachtung doch von vielen Variablen abhängig ist und je nach Beurteiler zu einer anderen Diagnose führen kann. Der Wunsch nach einer validen Diagnostik fördert die Suche nach stabilen zusätzlichen Variablen, die dafür hilfreich sein könnten. Der Begriff des Biomarkers als „objektiv messbare Größe erkenn- und bestimmbarer biologischer Merkmale“ [1] hält nicht zuletzt aufgrund des Gefühls diagnostischer Unsicherheit immer häufiger Einzug in das Bestimmen psychiatrischer Diagnosen. Die Frage nach dem Zusammenhang der gemessenen Größe mit der zugrunde liegenden Pathologie bleibt allerdings oft ungeklärt und un