Corona forciert Digitalisierung?

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REPORT


„Geradezu rührend naiv, diese provinzdeutsche Digitalisierungsoffensive“.

Dr. med. Michael Pieper (Chefredakteur) Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie, Rheumatologie

Corona forciert Digitalisierung?

N

icht das Virus, aber der Lockdown war Triebfeder. Homeoffice, Videokonferenzen und mehr wurden eingerichtet und fanden regen Zuspruch. 40 % der Unternehmen berichten über eine durch Corona induzierte Beschleunigung der Digitalisierung. Beim Schulunterricht eher Fehlanzeige. Bis auf wenige Ausnahmen erfolgte kein strukturierter Unterricht. Nur Listen mit Links zu Lehrmaterial oder YouTube-Tutorials. Unklar war, über welche digitalen Kanäle kommuniziert werden soll und welche digitalen Lernplattformen genutzt werden können. Dänemark und Finnland zeigen wie es geht. Die Telemedizin erfuhr sogleich einen unerwarteten Aufschwung. Das geringe Interesse der Niedergelassenen an Videosprechstunden vor der Coronakrise änderte sich schlagartig als die Patienten aus Angst vor COVID-19-Infektionen nicht mehr in die Praxis kamen. Binnen drei Monaten waren 25.000 Praxen angeschlossen. Das war die Kür, doch nun kommt die Pflicht: das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG). Spahn will damit „das Gesundheitswesen fit machen für die digitale Zukunft“. Mit der Pflicht gehe es um Geld und Arbeitsaufwand und dies ohne erkennbaren Mehrwert der Digitalisierung für die Praxen, monierte der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich. Der Digitalisierung stehe man aufgeschlossen gegenüber und werbe dafür die Hotline 116 117 zu einer zentralen Plattform für Terminvergabe und Patientensteuerung ausbauen, um „der größer werdenden Macht und den Gewinninteressen von Google, Amazon, Jameda und Co. etwas Wirkungsvolles entgegenzusetzen“. Geradezu rührend naiv, diese provinzdeutsche Digitalisierungsoffensive. In den USA treiben IT- und Logistikkonzerne mit Investitionen in Milliardenhöhe die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran. Die Ärzteschaft kann das nicht leisten, weder finanziell noch durch Knowhow. Den US-Konzernen stehen zudem für die Entwicklung von Gesundheits-, Diagnose- und Überwachungs-Apps ein nahezu unbegrenzter Zugang

Orthopädie & Rheuma  2020; 23 (5)

zu Patientendaten zur Verfügung. Dafür haben wir Deutschen eine Weltneuheit: die App auf Rezept. Und wir haben eine zirka 68 Millionen € teure Corona-Warn-App, die inzwischen auch international verfügbar ist. Trotzdem steigen hierzulande die Infektionszahlen weiter. Bisher haben 25 % der Erwachsenen die App heruntergeladen. Damit liegt laut dem Sachverständigenrat für Verbraucherfragen die Wahrscheinlichkeit, dass Infizierter und Kontaktperson die App nutzen bei 6 %. Aufgrund der Datenschutzregeln ist nicht bekannt, wie viele Menschen schon gewarnt wurden, und der Datenschutz verhindert, die Teilnehmer an „Superspreading-Events“ zu finden sowie rechtzeitig in Quarantäne zu schicken. Bei diesen deutsch-datengeschützten Digitalentwicklungen staunt die Welt und der Flughafen BER lässt grüßen. In diesem Stadium der technologisch fortschrittlichen deutschen Digitalisierungs