Die Expertenpandemie in den Massenmedien
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llorz Köln
Die Expertenpandemie in den Massenmedien Wie die Kommunikation von Nichtwissen und Unsicherheiten Vertrauen schaffen kann
Fluch und Segen von Expertenprognosen Die erste Pandemie im 21. Jahrhundert erscheint im Jahr 2012 wie eine ferne, schmerzhafte Erinnerung an einen öffentlichen Ausnahmezustand. Selbst im Rückblick erstaunt, wie sehr der Verlauf der Neue Influenza A/H1N1 2009 Fachleute, Politiker, aber auch Journalisten überrascht und in der Risikokommunikation überfordert hat. In Europa sah man zunächst Fernsehaufnahmen verängstigter Mexikaner mit Atemschutzmasken, über Massenmedien war die Weltöffentlichkeit „live“ dabei. Verinnerlichte dabei Warnungen alarmierter Experten, die eine rasche weltweite Verbreitung des neuartigen Influenzaerregers vorhersagten. Die Weltöffentlichkeit hielt den Atem an, als Politiker vieler Staaten in ihre Pandemiepläne blickten und versuchten, sich auf die erste Influenzapandemie seit Jahrzehnten vorzubereiten. In Wirklichkeit entfaltete sich dann unter den Augen der verblüfften Weltöffentlichkeit eine im direkten Vergleich zu historischen Influenzawellen erstaunlich milde Pandemie. Man sollte ehrlich zugeben: Dieser Verlauf war eine echte Überraschung für alle Beteiligten. Keiner kann behaupten, die Wissenschaft wisse alles über ein Virus, das die Menschheit mit allein 8 Gensegmenten immer wieder überraschen kann. Die Möglichkeit einer frühzeitigen Warnung vor der kommenden Pande-
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mie erwies sich daher am Ende als Segen und Fluch zugleich [1]. Ein Segen, weil Politiker zumindest in wohlhabenden Ländern Entscheidungen zur Vorsorge und zum Impfstoffkauf treffen konnten, bevor die Viren an ihre Grenzen klopften. Als Fluch, weil Experten keine Kristallkugel besaßen und daher keine zuverlässige Prognose über die zu erwartende Schwere der Erkrankungswellen möglich war. Die WHO und Seuchenexperten fanden sich in der Lage von Meteorologen wieder, die im Frühjahr nicht vorhersagen konnten, ob es im Winter weiße Weihnachten geben würde. Die Szenarien des Robert Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Instituts von Juni 2009, wonach allein in Deutschland zwischen 8000 und 80.000 Todesfälle durch das Pandemievirus zu erwarten seien, haben sich nicht bestätigt, lagen um Größenordnungen zu hoch. Für die allermeisten Bundesbürger war diese überraschende „milde“ Pandemie im Grunde ein Glück.
Die Erosion des Vertrauens in Expertise Die erste Influenzapandemie im 21. Jahrhundert wurde jedoch zu einem Paradebeispiel dafür, wie öffentliches Vertrauen in Expertenempfehlungen zeitweise erodieren kann, wenn die Prognosefähigkeit von Wissenschaft vor den Augen einer alarmierten Weltöffentlichkeit falsifiziert wird. In den Massenmedien entbrannten
Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 1 · 2013
Kontroversen über Kosten, Nutzen und Risiken präventiver Maßnahmen, die erhebliche Aufmerksamkeit bei Journalisten fanden und sich dauerhaft ins kollektive Gedächtnis einer ganzen Generation einbrennen werden. Wie als medialer Schlussakt bewertete das Hamburger Nachric
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