Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite
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MedR (2020) 38: 741–744 741
https://doi.org/10.1007/s00350-020-5646-4
Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite – ein Experiment parlamentarischer Handlungsformen
Klaus Ferdinand Gärditz I. Problemstellung Am 25. 3. 2020 hat der Deutsche Bundestag anlässlich der Corona-Pandemie eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt. Grundlage hierfür war ein am gleichen Tag beschlossenes und zwei Tage später (nach Zustimmung des Bundesrates) bereits im Zuge einer umfassenden Ergänzung des IfSG 1 in Kraft getretenes neues Instrument 2: Der Deutsche Bundestag stellt nach § 5 Abs. 1 S. 1 IfSG eine epidemische Lage von nationaler Tragweite fest. Die Rechtsfolgen der Feststellung ergeben sich aus § 5 Abs. 2–7 und § 5 a IfSG; insbesondere sieht die Schlüsselbestimmung des § 5 Abs. 2 IfSG weitreichende Handlungsermächtigungen des Bundesgesundheitsministers in zentralen Bereichen des Infektionsschutz-, Medizin- und Arzneimittelrechts vor. Zunächst hatte die Bundesregierung als „Formulierungshilfe für die Koalitionsfraktionen“ einen Entwurf 3 vorgelegt, nach dem nicht der Deutsche Bundestag, sondern die Bundesregierung selbst die epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellen sollte. Dies wäre auf eine weitgehend entgrenzte Selbstermächtigung der Regierung hinausgelaufen, was im parlamentarischen Prozess mit Recht auf Widerstände stieß. Der Deutsche Bundestag hat hier angesichts des Zeitdrucks beeindruckende Handlungsfähigkeit bewiesen 4 und die Feststellungskompetenz an sich gezogen 5. Der Deutsche Bundestag hebt allerdings nach § 5 Abs. 1 S. 2 IfSG die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite wieder auf, wenn die Voraussetzungen für ihre Feststellung nicht mehr vorliegen. Inzwischen wird vermehrt die Frage aufgeworfen, ob es angesichts sinkender Infektionszahlen nicht an der Zeit sei, von dieser Auf hebungsregelung Gebrauch zu machen und in den legislativen Normalbetrieb überzugehen. Der nachfolgende Beitrag möchte vor diesem Hintergrund die gesetzlichen Strukturen der Neuregelung skizzieren. II. Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 S. 1 IfSG ist ein schlichter Parlamentsbeschluss, kein Gesetzgebungsakt. Weder richtet sich das Verfahren nach Art. 76 f. GG, noch soll die Entscheidung nach Art. 82 GG ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden (Umkehrschluss aus § 5 Abs. 1 S. 3 IfSG). Auch dem Inhalt nach wird nicht auf ein Gesetz verwiesen, das jeweils erst erlassen werden muss 6; vielmehr soll der Deutsche Bundestag unter Geltung des § 5 Abs. 1 S. 1 IfSG einen einfachen Beschluss treffen können, der Tatbestand für die gesetzlichen Rechtsfolgen nach § 5 Abs. 2–7, § 5 a IfSG ist. Prof. Dr. iur. Klaus F. Gärditz, Richter am OVG NRW, im Nebenamt Stellv. Richter am VerfGH NRW, Institut für Öffentliches Recht, Universität Bonn, Adenauerallee 24–42, 53113 Bonn, Deutschland
1. Einfach-gesetzliche Rechtsfolgen nicht-legislativer Parlamentsbeschlüsse W
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