Ein kritisches Review zur Evidenz der aktuellen Verschreibungssituation

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REPORT


Fortbildung

Einsatz von Cannabis bei chronischen neuropathischen Schmerzen

Ein kritisches Review zur Evidenz der aktuellen Verschreibungssituation Michael A. Überall, Rolf Malessa, Herbert Schreiber, Ute Essner und Gerhard H. H. Müller-Schwefe

Das Fehlen von Evidenz und Zulassung spielte in der Medizin bislang allenfalls für spezielle Patientengruppen wie Kinder und Jugendliche, Hochbetagte oder Menschen mit seltenen Erkrankungen eine Rolle. Die Entscheidung, den Einsatz von Cannabis-Arzneien unter bestimmten Kautelen trotz teils übersichtlicher Studienlage und fehlender ­Zulassung zu erlauben, hat die Fachwelt stark beschäftigt. Welche Evidenz es zu Cannabis als Schmerz­medizin wirklich gibt, ist Gegenstand dieser kritischen Übersicht.

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eit dem Inkrafttreten der politisch/ juristisch motivierten Entscheidung, Cannabis-basierte Therapien unabhängig von ihrem jeweiligen Zulassungsstatus in Deutschland Patienten mit einer schwerwiegenden Erkrankung als Medizin dann verfügbar zu machen, wenn andere zugelassene und (leitlinien-) empfohlene Therapiealternativen entweder nicht zu Verfügung stehen,

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nicht wirken, nicht vertragen werden oder aufgrund von Wechselwirkungen und/oder Kontraindikationen nicht zum Einsatz gelangen können, steigt die Zahl der Verordnungen – vor allem für die Behandlung chronischer neuropathischer Schmerzen – kontinuierlich an. Begleitend erschienen seit dem 10. März 2017 zahlreiche Metaanalysen und (Leitlinien-) Empfehlungen. Auch wird auf

zahlreichen Präsenzveranstaltungen und Online-Konferenzen nicht nur über kasuistische Behandlungserfahrungen, sondern auch über die verfügbare (und je nach Sichtweise aus- bzw. unzureichende) Evidenz in Form kontrollierter klinischer Studien diskutiert.

EbM – Fundament der Medizin Im Zeitalter der Evidenz-basierten Medizin (EbM) bilden randomisierte placebokontrollierte Studien (randomized controlled trials, RCT) das Rückgrat rationaler Therapieentscheidungen. In Ergänzung der Daten aus Zulassungsstudien bilden sie nach David Sackett in Form der „externen Evidenz“ zusammen mit eigenen (Anwendungs-) Erfahrungen (der „internen Evidenz“) und den Bedürfnissen Betroffener einen der drei Grundpfeiler für die Umsetzung individualisierter BehandlungsentscheiSchmerzmedizin  2020; 36 (5)

dungen im praktischen Alltag. Zusätzlich eröffnen Daten aus RCT auch Perspektiven für eine wirkstoff- und gegebenenfalls auch eine arzneimittelbezogene Bewertung des (Zusatz-) Nutzens – ein gerade im Zeitalter begrenzter finanzieller Ressourcen und populationsbedingt steigender Kosten im Gesundheitssystem wichtiger ökonomischer Faktor.

Behandlung der MS-bedingten Spastik oder Nabilon für die Behandlung Chemotherapie-induzierter Übelkeit/Erbrechen) dem „No-label-use“ von Teil-/ Vollspektrumextrakten und/oder getrockneten Cannabisblüten gleichgesetzt. Ein zulassungs- und arzneimittelsicherheitsrechtliches „Worst-case“-Szenario, das bereits Anlass zahlreicher juristischer Fehlbewertungen war.

Off-/No-label-Anwendung – im Allgemeinen eher selten

Metaanalysen und Experten als