Einige Bemerkungen zur Wissensgeschichte der Materien

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REPORT


N.T.M. 21 (2013) 313–321 0036-6978/13/030313-9 DOI 10.1007/s00048-013-0099-8 Published online: 29 October 2013 Ó 2013 SPRINGER BASEL AG

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Einige Bemerkungen zur Wissensgeschichte der Materien Bettina Wahrig

Ursula Klein und Emma C. Spary (Hg.) 2010: Materials and Expertise in Early Modern Europe. Between Market and Laboratory. Chicago, London: University of Chicago Press, geb., 408 S., 50,00 $, ISBN-13: 978-0-2264-3968-6. Pratik Chakrabarti 2010: Materials and Medicine. Trade, Conquest and Therapeutics in the Eighteenth Century. [= Studies in Imperialism] Manchester: Manchester University Press, geb., 259 S., 60,00 £, ISBN-13: 978-0-7190-8312-9. Seit dem practical turn umkreisen die Gedanken der Wissenshistorikerinnen und Wissenshistoriker1 das Problem des Materiellen wie Goethes Falter die Flamme. Egal, ob Wissenschaft aus der Perspektive von ,,Science in the making‘‘, als Assemblage von menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren, als Teil eines kulturellen Settings oder noch anders verstanden wird, immer scheint die Abkehr von einem traditionell theoriegeleiteten Wissenschaftsversta¨ndnis es notwendig zu machen, nicht nur u¨ber die gea¨nderte Rolle der Theorie, nicht nur u¨ber eine andere Auffassung des Theorie-Praxis-Verha¨ltnisses nachzudenken, sondern auch daru¨ber, was das gegenu¨ber der Theorie aufgewertete Materielle denn ist. Das fa¨ngt schon mit den Benennungen an: Nicht mehr Materie, sondern Materien oder Material interessieren uns. Ein paralleler Impuls kam aus den Kulturwissenschaften, die mit dem Schlagwort der ,,materiellen Kultur’’2 eine Reihe von Interpretationsmustern entwickelten. Stellvertretend fu¨r die Vielzahl der neueren Ansa¨tze seien hier nur die von Christina von Braun betriebene Kulturgeschichte in der longue dure´e, zuletzt 2012 zur Kulturgeschichte des Geldes, sowie die sich auf eine symmetrische Ontologie berufenden Arbeiten Bruno Latours, etwa Die Hoffnung der Pandora, genannt. Bei dem von Michael Werner und Be´ne´dicte Zimmermann 313

BETTINA WAHRIG

vorgeschlagenen Ansatz der Histoire croise´e scheint mir besonders interessant, dass Intersektionen auf Mikro- oder Makroebene, aber auch auf verschiedenen geographischen oder Zeitskalen betrachtet werden ko¨nnen. Damit verliert das bisherige Objekt der Forschung seine Statik und erlangt eine Art Eigenleben in der Reflexion. In diesen Studien haben sich in den vergangenen Jahrzehnten Themen wie die Geschichte der Konsumkultur, des Sammelns und Repra¨sentierens oder die Geschichte wissenschaftlicher und experimenteller Praktiken entfaltet. Um die Denkfigur der materiellen Kultur herum gruppieren sich einerseits mikrohistorische Forschungsansa¨tze, etwa, wenn es um die materiellen und apparativen Voraussetzungen von Experimentalsystemen geht, um den Konsum kultureller Eliten oder um die Herstellungstechniken von Artefakten im vorindustriellen Zeitalter. Andererseits bieten sowohl das vieldeutige Wort ,,Kultur‘‘ als auch die unterschiedlichen Ansa¨tze der Kulturgeschichte die Mo¨glichkeit, Elemente einer Geschichte in der longue dure´e